BSE-Schlamperei wird teuer

Mindestens 270, vielleicht bis zu 39.000 bayerische Rinder wurden nicht vorschriftsgemäß auf Rinderwahn getestet. Teile des Fleisches ins Ausland verkauft. Jetzt droht Verlust der Exportmärkte für Rindfleisch. Auch Korea-Lieferungen betroffen

von REINER METZGER

Der jüngste BSE-Skandal begann in Bayern. Das zuständige dortige Ministerium hatte am 14. Januar das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft über ein Problem in einem Testlabor informiert: Die Firma Milan hätte 39.500 Rinder im mittelfränkischen Westheim auf BSE untersucht, obwohl die dortige Niederlassung der Firma dazu überhaupt keine Zulassung hatte. Die Tests in Westheim liefen seit Juli 2001, seit dem 17. Dezember hatte das bayerische Ministerium Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Am 9. Januar 2002 schließlich untersagte es die Tests.

Das Ministerium in München hat inzwischen alle 39.500 Laborprotokolle überprüfen lassen und bei 270 davon Unregelmäßigkeiten festgestellt. Bei einigen Rindern wurde – laut Unterlagen der fragwürdigen Firma Milan – in einem ersten Durchgang BSE festgestellt, im zweiten dann nicht mehr. Diese Rinder wurden alle als BSE-frei klassifiziert, obwohl in einem solchen Fall die Gehirnprobe des Rindes an das Bundesreferenzlabor in Tübingen zur weiteren Untersuchung hätte gehen müssen. Ob eines der Rinder wirklich BSE hatte, ist trotz der Unregelmäßigkeiten noch nicht geklärt. Mit Stand vom 21. Januar gab es in Deutschland 144 BSE-positiv getestete Rinder, davon 66 in Bayern. Insgesamt gut drei Millionen Rinder wurden getestet.

Der Hauptauftraggeber des Milan-Labors in Westheim war die große Schlachtgenossenschaft Südfleisch. Sie musste gestern per Gerichtsurteil gezwungen werden, die Unterlagen und Frachtscheine herauszurücken. Die bayerischen Behörden konnten bisher noch nicht vollständig ermitteln, wohin das Fleisch ging. Allerdings ist schon klar, das 96 der 39.500 Rindern nach Russland exportiert wurden.

Ein kleiner Vorfall könnte dabei für internationale Verwicklungen sorgen: Ein kleiner Schlachtbetrieb in Thüringen ließ 1.200 Tiere in Westheim testen. Drei der Tiere waren älter als zwei Jahre und sind schon beim deutschen Verbraucher gelandet. Zwei Vorderviertel einer sechsjährigen Kuh gingen nach Schweden. Das bedeutet verwaltungstechnisch, dass nicht ordnungsgemäß BSE-geprüftes deutsches Rindfleisch exportiert wurde. Und das wiederum könnte den Verlust der deutschen Absatzmärkte im Ausland nach sich ziehen. Alexander Müller, Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, erklärte gestern, die EU-Kommission sei über den Schweden-Export informiert worden. Nun fürchtet Müller, dass „die monatelangen Bemühungen“ Deutschlands um eine volle Wiederaufnahme der Rindfleischexporte einen „herben Rückschlag“ erleiden. Ohne die Exporte würden die Preise fallen, leiden würden die Bauern, der Steuerzahler müsste mit Stützungskäufen eingreifen. Die letzte EU-Aufkaufaktion kostete die Bundesregierung laut Angaben vom November 362 Millionen Mark. Die BSE-Krise insgesamt hat Bund und Länder je eine Milliarde Mark gekostet.

Durch die Stützungskäufe hat die Regierung nun auch ein Nordkorea-Problem: Sie hatte 70.000 Rinder aufgekauft – macht 12.000 Tonnen Rindfleisch – und in Kühlhäuser eingelagert. Das hier unverkäufliche Fleisch sollte zu den Hungernden in die ostasiatische Diktatur verschifft werden. Doch ein großer Teil dieses Fleisches wurde ausgerechnet von der Firma Milan getestet – im Auftrag der Südfleisch und vom Labor Westheim. Ein Frachter mit 6.000 Tonnen hat seine Ladung längst in Nordkorea gelöscht – zu Gesamtkosten von 7,15 Millionen Euro. Ein Zweiter dampft kurz vor der koreanischen Küste, der Dritte wird in Wilhelmshaven beladen. Was aus den Lieferungen wird, ist derzeit unklar.