Grundsätzliches Verbot mit Ausnahmen

Vor der Bundestagsentscheidung über den Import von Stammzellen stellen Befürworter und Gegner ihre Anträge vor

BERLIN taz ■ Fünf Tage bevor der Bundestag über den Import embryonaler Stammzellen entscheiden wird, formieren sich die Gegner und Befürworter der umstrittenen Embryonenforschung neu. Gestern stellten verschiedene fraktionsübergreifende Initiativen in Berlin ihre Anträge vor.Voraussichtlich werden am Mittwoch nächster Woche insgesamt vier unterschiedliche Anträge zur Abstimmung stehen. Vor wenigen Tagen kursierten noch sieben verschiedene Antragsentwürfe unter den Bundestagsabgeordneten.

Weit über 100 Abgeordnete aus der Unionsfraktion hätten bereits ihren Antrag unterzeichnet, berichtet der CDU-Abgeordnete Hermann Kues gestern. Der gemeinsam mit Wolfgang Wodarg (SPD), Monika Knoche (Bündnis 90/Die Grünen) und Ilja Seifert (PDS) formulierte Antrag sieht ein striktes Einfuhrverbot von Stammzellen vor, die aus „menschlichen Embryonen gewonnen worden sind“. Ausnahmen soll es nicht geben. Diese sieht hingegen der Gruppenantrag der CDU-Abgeordneten Maria Böhmer, der SPD-Abgeordneten und Vorsitzenden der Enquetekommission zur Medizinethik, Margot von Renesse, sowie der Grünenpolitikerin Andrea Fischer vor. Die Politikerinnen, die sich nach zweitägigen Verhandlungen auf das gemeinsame Papier geeinigt hatten, hoben hervor, dass auch sie für ein grundsätzliches Importverbot von embryonalen Stammzellen sind, jedoch könne „ausnahmsweise“ der Import für Forschungszwecke zugelassen werden, vorausgesetzt, es würden strenge Auflagen eingehalten.

Danach müssen die Wissenschaftler zunächst darlegen, dass alternative Forschungen an Tieren oder an adulten Stammzellen „nicht in vergleichbarer Weise“ Erfolg versprechend sind. Eine Stichtagsregelung ähnlich der Initiative von US-Präsident Georg Bush solle sicherstellen, dass nur bereits bestehende Stammzellen für die Forschung genutzt würden. Als Stichtag nannten die Antragstellerinnen das Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes. Damit würde verhindert, dass es Anreize gibt, weitere Stammzelllinien durch die Tötung von Embryonen zu gewinnen, sagte Böhmer. Der Antrag sei „kein kläglicher Kompromiss“ zwischen Ja und Nein, sondern „ein Ausweg, der nichts zerstört“, betonte Renesse.

Zu den Auflagen, die nach den Vorstellungen der Politikerinnen von einer unabhängigen Behörde kontrolliert werden müssten, gehört auch ein Einverständnis des Spenderehepaares. Zudem dürfe kein Honorar dafür gezahlt worden sein.

Zweifel daran, dass diese Auflagen überhaupt „stichhaltig überprüft werden können“, hat Professor Jens Reich. In einem Gespräch mit der taz sagte der Berliner Molekularbiologe, der auch Mitglied im Nationalen Ethikrat ist: „Wie will man nachprüfen, wenn irgendwo auf der Welt ein Ehepaar schriftlich bestätigt, es habe ursprünglich die Absicht gehabt, ein Kind zu zeugen, und sei erst nachträglich davon abgekommen und stelle nunmehr den Embryo zur Verfügung.“ Reich, der sich im Ethikrat für ein Moratorium beim Stammzellenimport aussprach, bezweifelt auch, dass vorab entschieden werden könne, ob die wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht auch „an Säugetieren oder adulten menschlichen Stammzellen zu gewinnen wären“.

Die beiden weiteren Anträge, denen bei der Abstimmung im Bundestag wenig Chancen eingeräumt werden, kommen vom CDU-Abgeordneten Peter Hintze und aus der FDP-Fraktion. Während Hintze sich sowohl für den Import bereits bestehender als auch für neu etablierte Zelllinien ausspricht, will der FDP-Antrag auch die Herstellung eigener Zelllinien erlauben. Dazu solle dass Embryonenschutzgesetz geändert werden. WOLFGANG LÖHR

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