Gruftiges Gegrummel

Ziguri EgoZoo zeigt mit „Vampire“ im Theater am Ufer ein Stück um das Leben, den Tod und die deutsche Bundesbahn

Blutrot ist ihr seidener Pyjama. Mit einem Lächeln, das irgendwo zwischen zartbitterem Schmelz und faustischer Schadenfreude schwebt, steht sie dort auf der schwarzen Bühne des Theaters am Ufer. Kurze Momente der Verzückung gewährt sie ihrem Geliebten und schon: „So groß war das Vergnügen, nun kommt nur noch der Tod.“ Der reichlich ausgedörrte Romeo widerspricht: „Quatsch, sterben: Unsinn“, und geht durch ein Spiegeltor in eine vermeintlich wirklichere Realität.

Aber auch die ist eine Illusion: Das Spiel um den Verlust der vitalen Kräfte, das Absaugen der Lebenssäfte, setzt sich fort. „Vampire“ heißt das Theaterstück. Liebe und Tod, das Geheimnis des Lebens und die deutsche Bundesbahn sind sein Thema. Nicht dass die hoch subventionierte Bahn auch einen siechen Tod stürbe. Nein, aber immer wieder nimmt die kleine ICE-Modelleisenbahn auf der Bühne ihre Kreisbahn auf, verortet das Spiel in der Gegenwart. Verschiedene Stationen durchläuft die Performance: die Kindheit, die Liebe, das Alter, die Verklärung im Tod. Eingestreut in den Reigen um die letzten Dinge sind Pop und andere Chansons.

Pyjama-People besang schon Frank Zappa. Hier wird er reanimiert. Seinen an sich nur witzig gemeinten Song lässt der Ziguri EgoZoo in einer quälenden Endlosschleife rotieren. So wirkt auch die Erinnerung an den seligen Gitarrenvirtuosen ausgezehrt. Das Lied endet sinnlos im Nichts. Damit ist Zappa bereits dort angekommen, wohin sich die übrigen Spieler während des Theaterstückes erst langsam vorarbeiten. „Nicht eine Nacht habe ich vernünftig geschlafen, seitdem ich dich geheiratet habe“, verkündet der Glatzkopf und sehnt sich nach einer Ruhe, die er nicht bekommt.

Sie saugt ihn aus, die Frau im dunkelroten Gewand, Nacht für Nacht, eben wie ein Vampir. Als Inés Burdow mit düsterer Stimme von der Liebe kündet und bedeutungsschwer ins Publikum schaut, kippt das Spiel nicht ins Lächerliche, sondern fängt sich überraschend im Unbestimmten zwischen hohem Pathos und Lore-Roman.

Ziguri EgoZoo findet immer wieder passende Bilder und Dialoge, um auf der kahlen Bühne die Monstrositäten des Alltags einzufangen. Wenn Roswitha Keil klagt „früher hattest du noch keine Falten“, ahnt man schon Freund Hein, der stets irgendwo hinter der Tür lauert. Unterstrichen wird die Tiefgründigkeit der Szenerie durch das auf wenige Elemente reduzierte Bühnenbild. Eine verspiegelte Türeinfassung fungiert als Tor zwischen Diesseits und dem imaginierten Abgrund. Davor entfaltet sich der „Vampir“ in uns allen, dahinter lauert das Ungewisse.

Erhebliche Teile des gesprochenen Textes werden akustisch verfemdet. Ob das tatsächlich eine gute Idee war, kann bezweifelt werden. Überhaupt wird es trotz gruftigen Gegrummels eigentlich nie so richtig existenziell. Am Ende taucht gar eine unerwartet schwerelose Remineszenz an die Kindheit auf und erlöst die entkräfteten Vampire.

RICHARD RABENSAAT

Bis 3. Februar, Do bis So 20 Uhr, Theater am Ufer, Tempelhofer Ufer 10