straight aus dem medienpark
„Wetten, dass ...?“ macht Braunschweig richtig stolz
: Samstagabend, mitten in Deutschland

Immerhin: Sarah Connor hatte doch ein Höschen an, und zwar „einen fleischfarbigen Slip mit durchsichtigen Trägern“, wie BILD am Montag seine Leser zu besänftigen wusste. Trotzdem hatte man an diesem Samstagabend das Gefühl, tief blicken zu können bei „Wetten, dass …“. Nicht nur in Sarah Connors Körper, sondern mitten rein in die deutsche Seele: International fühlt sie, will aber schön bodenständig bleiben, glamourös denkt sie, will aber auf die Zote nicht verzichten.

„Wetten, dass …“ ist nicht nur Fernsehunterhaltung und Familienshow, sondern „Wetten, dass …“ ist Lifestyle, so wie man ihn in Deutschland versteht. Der Versuch, die große Welt und deren Glamour in die gute, deutsche Stube zu holen – auf dass sich auch der deutsche Durchschnittsbürger in diesem Glanz spiegeln kann.

Schöner als an diesem Samstag konnte man schon lange nicht mehr sehen, wie „Wetten, dass …“ funktioniert, also Deutschland. Austragungsort war Braunschweig, eine mittelgroße Stadt in Niedersachsen, früher im Zonenrandgebiet, aber immerhin mit einem Bundesligaverein. Heute ohne Bundesligaverein und schwer auf der Suche nach einer Identität zwischen Hannover, Wolfsburg und Berlin. Da kam „Wetten, dass …“ gerade richtig.

In so einer Stadt kennt man Boris Becker und Claudia Schiffer nur aus dem Fernsehen, und ausgerechnet diese beiden sollten an diesem Abend Hand in Hand die Braunschweiger Volkswagenhalle hinuntergehen – eine Sensation! Eine Sensation für Braunschweig und seine Bürger, wie auch Thomas Gottschalk betonte. Für die 2.000 Bürger, die sich in Schale geworfen hatten – angeblich hätte man 20.000 Karten verkaufen können –, und für die, die sich draußen vorm Braunschweiger Dom eingefunden hatten, um mit Nina Ruge (früher Wolfsburg) die Außensaalwette zu gestalten. Eine Sensation aber selbst für „Wetten, dass …“, denn für den Glamour waren bislang auswärtige Stars zuständig. Und neben Becker und Schiffer hatte man dann auch besagte Sarah Connor dabei (Delmenhorst), Johannes B. Kerner (ZDF), Ottfried Fischer (Bad Tölz), Sven Hannawald (Erzgebirge/Schwarzwald) und auch Anastacia (ZDF), die Gottschalk gleich eindeutschte als Newkirk, Neukirch, alle Kirch. So gut wie alle von ihnen blond und blauäugig, der eine dick, was dauernd besprochen wurde, der andere an der Grenze zur Magersucht, was nicht besprochen wurde, so saßen sie mitten in Deutschland auf dem Sofa und sagten, dass sie es leid sind, so viel von sich in der deutschen Zeitung mit den großen Lettern zu lesen (Becker, Gottschalk). Oder sie sagten nichts (Hannawald, Schiffer).

Dafür, dass nicht nur nichts gesagt wurde, sondern sich auch irgendwie unterhalten, sorgten dann die Wetten. Oder besser: Das deutsche Volk, das sich für den größten Schwachsinn nicht zu schade ist. Eisenbahner aus Cottbus, Raststättenbesitzerinnen aus Schnellsen, technische Angestellte aus Österreich, deutschrussische Gabelstapelfahrer aus Kaiserslautern – Deutschland einig Vaterland. Dabei aber, unter Gottschalks Führung, immer schön witzig: „Man sagt zwar zu Nägeln auch Stahlstifte, aber man sagt nicht ‚gestahlgestiftet‘.“ Was wurde sich da in der Volkswagenhalle auf die Schenkel geklopft! Mick Jagger und Kid Creole hatten dagegen keine Chance: „The real one“, feierte Gottschalk Jagger, „the real one“, sagte er zu Creole und seinen Leuten. Genauso real waren natürlich die Delmenhorster Soulröhre und die Rockröhre Anastacia. Der Schweiß muss schließlich fließen, bei allem Glamour. Ein großer und ehrlicher deutscher Abend, der bewies: Deutschland wird durch „Wetten, dass …“ erst schön.

FRANCIS BERGMANN