strafplanet erde: con rumore realistico von DIETRICH ZU NEDDEN:
Würde einem das Wort „nervtötend“ den Gefallen tun und sich ins – sagen wir ruhig: ins Unendliche steigern lassen, dann hätte diese Kolumne ohne Zweifel so angefangen: Der nervtötendste, auf jeden Fall lauteste und lärmigste Neuzugang der letzten Wochen in meinem Haushalt ist eine Bosch-Kettensäge. Wäre sie nicht von Bosch, sondern von dem schwedischen Kettensägenhersteller Husqvarna (der sog. Rap-Star Eminem pflegte mit einer Maschine dieser Herkunft im letzten Jahr seine Konzerte zu beleben), wäre das zwar um einiges treffender, husquarniger sozusagen, aber man kann ja nicht alles haben.
Die Kettensäge, um die es sich hier handelt, ist nicht im Hobbykeller verstaut, sie liegt nicht im Werkzeugkasten bei dem Schraubendreher und der Kombizange, nein, sie liegt, so sie nicht gerade jemand anschmeißt, provozierend einsatzbereit irgendwo in der Wohnung rum. Diese Kettensäge ist eine international funktionierende Kettensäge, wenn man den Ausführungen auf der Verpackung trauen kann: Man darf sie spanisch ansprechen und „sierra de cadena Bosch“ nennen; sie ist als „Kettingzaag“ aber ebenso des Niederländischen mächtig wie des Französischen als „Tronçonneuse“.
Obwohl nicht etwa von einem Zweitaktmotor angetrieben (wie die Husqvarna 51!), sondern von drei 1,5-Volt-Mignon-Batterien, macht die „Bosch Chain Saw“ mehr als genug und erheblichen Krach. Insofern erfüllt sie die Versprechungen: „mit realistischem Sägegeräusch“ sei sie ausgestattet, was sich noch realistischer in anderen Sprachen anhört: „avec bruitage très réaliste“ oder „con rumore realistico“.
Abgesehen von dem kostenlos mitgelieferten multilingualen Mehrwert, hält die Gebrauchsanweisung noch den Hinweis auf den pädagogischen Wert der Kettensäge bereit, und eine „nachstehende Tabelle“ ordnet diesen Wert, der zwischen einem Stern und drei Sternen flottieren kann, sogar einzelnen Kategorien zu.
Dass die Kettensäge das „praktische Wissen“ optimal fördert, also in diesem heutzutage nicht zu überschätzenden Segment mit der höchsten Punktzahl zu Werke geht, war zu erwarten. Dass die „intellektuelle Entwicklung“ zweigesternt davonkommt genau so wie das „soziale Verhalten“ und „Spaß, Freude, Entspannung“, ist bei dem Getöse schon etwas schlechter zu verstehen. Dass aber sogar die „gefühlsmäßige Entwicklung“ immerhin noch mit einem Stern glänzen kann, das lässt die Frage im längst so ziemlich umfassend dröhnend betäubten Hirn entstehen, welche Gefühle, bitte schön, hier gefördert werden?
Wenn man bei dem Gescheppere überhaupt noch sein eigenes Wort vernähme, würde ich noch gern erwähnen, dass das kratzige Dröhnen, das auf Knopfdruck sämtliche Zimmer beschallt, allein von einer Kette an der Kettensäge erzeugt wird, die der Kette, die an einem Badewannenstöpsel angebracht ist, zum Verwechseln ähnlich sieht. Geht’s nicht ETWAS leiser? Irgendwo im Ruhrgebiet spielte mal ein Film, der behauptete: „Es kommt der Tag, da will die Säge sägen“. Aber wann wird es wieder Abend?
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