Nein, nein-aber oder ja

Heute entscheidet der Bundestag, wie Deutschland es mit den Embryonen hält: Darf man embryonale Stammzellen zu Forschungszwecken importieren? Oder sogar selbst herstellen?

von WOLFGANG LÖHR

Der Bundestag wird heute entscheiden, ob der Import embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken erlaubt sein soll. Gestern wurden noch einmal neue Allianzen geschmiedet. Die Befürworter des Stammzellimports um die Abgeordneten Peter Hintze (CDU) und Ulrike Flach (FDP), die bisher mit zwei unterschiedlichen Anträgen in das Plenum gehen wollten, erklärten, dass sie sich auf ein gemeinsames Papier geeinigt hätten. Danach soll nicht nur der Import generell erlaubt werden. Sie wollen auch die Option offen halten, eigene Zelllinien herzustellen.

Damit haben die Abgeordneten die Wahl zwischen den drei Positionen: nein, nein-aber und ja zum Import. Ein kategorisches Nein zum Import sagen die mittlerweile weit über einhundert Parlamentarier, die ihre Unterschrift unter den Antrag von Wolfgang Wodarg (SPD), Jochen Borchert, Hermann Kues (beide CDU) und Monika Knoche (Grüne) gesetzt haben. „Jede noch so eng definierte Importerlaubnis öffnet die Tür zu weiteren Ausnahmen“, befürchtet Borchert. Die Abgeordneten wollen auch den Import von bereits existierenden Stammzellen nicht zulassen. „Die Gewinnung von Stammzelllinien setzt die Tötung menschlicher Embryonen voraus“, heißt es in ihrem Antrag. Eine Importzulassung der schon vorhandenen Zellen „wäre eine nachträgliche Billigung der Vernichtung von Embryonen“, sagte der CDU-Politiker Kues.

Gegen eine verbrauchende Embryonenforschung sprechen sich auch die Verfasser des Nein-aber-Antrages aus. Er sei ein „eindeutiges Bekenntnis zum Embryonenschutzgesetz“, begründete die Exgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) auf einem gestern zu Ende gegangenen Bioethik-Kongress der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) ihre Position. „Das Gesetz geht davon aus, dass menschliches Leben mit der Kernverschmelzung beginnt“, so Fischer. Damit ist auch eindeutig geregelt, dass Embryonen nicht für die Stammzellgewinnung vernichtet werden dürfen. Die Einfuhr der von der Forschung heiß begehrten Zellen ist in dem Gesetz nicht geregelt.

Der zusammen mit der SPD-Abgeordneten Margot von Renesse und der CDU-Politikerin Maria Böhmer verfasste Antrag soll sicherstellen, „dass der Import von humanen embryonalen Stammzellen nach Deutschland keine Tötung weiterer Embryonen zur Stammzellgewinnung veranlasst“. Eine Ausnahme soll lediglich für bereits bestehende Zellkulturen gelten. Fischer und ihre Mitstreiterinnen gehen davon aus, dass es verfassungsrechtlich nicht haltbar sei, nachträglich und rückwirkend ein Importverbot für die schon vorhandenen Zellen zu erlassen. Die Ausnahmeregelung soll für Stammzellen gelten, die bis zu einem bestimmten Stichtag, „spätestens zum Zeitpunkt der Beschlussfassung dieses Antrages“, also heute, hergestellt wurden.

Der Streit geht nicht nur quer durch alle Fraktionen, auch in der Regierung sitzen Importbefürworter und -gegner. Kanzler Schröder warb gestern vor der SPD-Fraktion für einen Import unter strengen Auflagen. Der Antrag von Renesse, Böhmer und Fischer bewahre die Chance auf Einflussnahme, sagte Schröder – und appellierte an die Importgegner, sich in dieser Frage noch zu bewegen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hatte verfassungsrechtliche Bedenken angeführt. Anders als angekündigt, verzichtete die SPD-Fraktion auf eine Probeabstimmung.

Die Abstimmung im Bundestag wird nicht nur darüber entscheiden, ob die beiden Bonner Uni-Professoren Otmar Wiestler und Oliver Brüstle demnächst mit Stammzellen, die sie aus Israel importieren wollen, forschen dürfen – die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) will schon morgen den Antrag von Brüstle bewilligen, wenn der Bundestag Ja zum Import sagt.

Das Abstimmungsergebnis im Bundestag gilt auch als wichtige Richtungsentscheidung über die künftige Stammzellforschung in Deutschland. Denn spätestens nach der Wahl, voraussichtlich im nächsten Jahr, wird das Embryonenschutzgesetz auf dem Prüfstand stehen. Dann wird der Bundestag auch darüber entscheiden müssen, ob nicht sogar die Herstellung eigener embryonaler Stammzellen erlaubt sein soll. Der Leiter des Berliner Max-Delbrück-Centrums, Detlev Ganten, machte jedenfalls gestern auf dem EKD-Kongress schon klar, dass eine Stichtagsregelung nicht ausreiche. Ganten, der auch Mitglied im Nationalen Ethikrat ist, möchte auch den Zugriff auf neue Zelllinien.