Kehrt marsch!

Deutschland will doch nicht „Lead Nation“ in Afghanistan werden. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye fühlt sich „überinterpretiert“

BERLIN taz ■ Zu Anfang ging es um Afghanistan und die großen Fragen der Außenpolitik, zum Schluss nur noch um die Verlässlichkeit eines Regierungssprechers. Uwe-Karsten Heye, der oft für Bundeskanzler Schröder spricht, aber selten etwas sagt, hatte am Montag eine Neuigkeit verkündet – nur um sie am Dienstag zurückzunehmen. „Berlin zur Führung der Schutztruppe in Afghanistan bereit“, lautete die Schlagzeile der FAZ, „Deutschland erwägt jetzt doch, ‚Lead Nation‘ in Afghanistan zu werden“, schrieb die taz. Gestern erklärte Heye, die Medien hätten ihn „überinterpretiert“. Mit dieser Auslegung stand der Sprecher freilich alleine da: Fast alle deutschen Medien hatten ihn am Montag so verstanden, wie er am Dienstag nicht mehr verstanden werden wollte.

Politisch wirkt sich das Kommunikationsknäuel fatal aus. Es ist der Neigung der Regierungssprecher geschuldet, bei ihren Auftritten nur noch Andeutungsjongliererei zu betreiben. Heyes Auftritt am Montag war dafür symptomatisch. Deutschland habe derzeit ja bereits die Führungsrolle in Mazedonien inne, erinnerte der Sprecher. „Beides kann die Bundeswehr in der Tat nicht; es müsste sich also am Engagement in Mazedonien schon etwas verändern, um überhaupt in eine reale Nähe einer solchen Entscheidungssituation zu kommen.“ Den Zusammenhang zwischen Mazedonien und Afghanistan wiederholte Regierungssprecher Heye so oft, dass ihn noch der letzte Zuhörer als politische Verknüpfung verstand.

Verwirrt waren auch diverse Ministerien, die sich am nächsten Morgen kaum trauten, das Ergebnis des jüngsten Gesprächs von Bundeskanzler Schröder mit den Ministern für Verteidigung, Finanzen und Äußeres zu verkünden. Die vier Herren hatten nämlich am Montagabend erneut festgeklopft, was auch vor der Heye-Äußerung schon Stand der Dinge war: Deutschland strebt keine Führungsrolle an. Plötzlich wirkte diese Entscheidung wie die zweite 180-Grad-Wende in 24 Stunden – das Letzte, was dieses Wirrwarr dokumentierte, war Führung. Es gebe keinen Beschluss, hieß es darum zunächst im Auswärtigen Amt, „man hat sich positioniert“, wussten dagegen die Offiziere im Verteidigungsministerium. Schließlich musste Heye selbst seine Äußerungen zurücknehmen. PATRIK SCHWARZ