globalisierung konkret: Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Teil 7
Italienischer Schick
Made in Italy – ob teuer oder billig, ob Marken- oder Massenware, Schuhwerk kommt heute oft aus dem Land, das passenderweise gleich aussieht wie ein Stiefel: Italien produziert pro Jahr etwa 400 Millionen Paar Schuhe, von denen 360 Millionen in den Export gehen. Statt „made in Italy“ könnte aber auch „aus der Welt für die Welt“ draufstehen.
Denn schon die Leder stammen von sämtlichen Kontinenten, aus Russland ebenso wie aus Südamerika oder Asien. Gegerbt wird allerdings in Italien, wenn am Ende ein Teuerprodukt stehen soll. Aber auch dann geht es global zu: In den heimischen Gerbereien bei Vicenza oder in der Toskana heuern heute vor allem Arbeitskräfte aus der Dritten Welt an; Italiener wollen sich das gesundheitsschädigende Hantieren mit den Tierhäuten, umgeben von dampfendenLaugen und Säuren, nicht mehr antun. Im Süden wird oft genug zu Löhnen von 200 Euro monatlich schwarzgewerkelt. Die Billigleder werden dagegen gleich zu Billiglohn – und bei noch trostloseren Arbeitsbedingungen – gegerbt, in Algerien, Russland oder Pakistan.
Eine weite Reise haben meistens auch die Sohlen hinter sich. Zu wenig „Wertschöpfung“ steckt in ihnen, um in Italien übliche Löhne zu zahlen; also werden sie dort gefertigt, wo die Monatslöhne noch bei 25 Euro liegen: in Albanien oder Montenegro, in Weißrussland oder der Ukraine.
Das Leder zuschneiden, nähen, es mit der Sohle zum Schuh zusammenfügen – diese Arbeitsgänge erfolgen gewöhnlich in Italien. Aber nicht allein dem sprichwörtlichen italienischen Schick ist es zu verdanken, wenn das Land als einziges unter den großen westlichen Industriestaaten noch führender Produzent (weltweit Nummer fünf) von Schuhen ist. Teilweise wird in Italien gearbeitet wie in einem Schwellenland.
MICHAEL BRAUN
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