Nur zu Fuß geht es schneller

Eine Woche lang verkehrt die U-Bahn-Linie 6 zwischen Halleschem Tor und Schwartzkopffstraße nur eingleisig. Denn zwischen Friedrich- und Französischer Straße werden neue Weichen verlegt. Damit es beim nächsten Pendelverkehr etwas schneller geht

von THILO KUNZEMANN

Andreas Kirsch (Name geändert) hat eine Woche lang den härtesten Job der Stadt. Bis einschließlich Samstag bauen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf der Linie U 6 vier neue Weichen zwischen den U-Bahnhöfen Friedrichstraße und Französische Straße. Und so lange wird der junge BVG-Angestellte an den Treppen des U-Bahnhofs Friedrichstraße stehen, Fahrgäste beruhigen und den komplizierten Baustellenverkehr erklären.

„Nein, Richtung Französische Straße fährt kein Zug, nur ein Bus.“ Irgendjemand in der Menschentraube flucht. „In die andere Richtung fährt die Bahn nur bis zur Schwartzkopffstraße, dann müssen Sie umsteigen.“ Wieder grummelt die Menge. Kirsch lächelt und erklärt. Die höhnischen Kommentare – „Dit kann ja nich wahr sein“ – überhört er. Der Zug Richtung Schwartzkopffstraße rollt ein. Kirsch bleibt zurück und schnürt seinen Schal fester. „Ich bin schon ganz heiser“, sagt er und blickt hoffnungsvoll auf die Bahnsteiguhr. Noch eine halbe Stunde bis Schichtende.

„Seit einer Woche hängen die Informationen aus. Seit zwei Tagen laufen sie über die Anzeigentafeln. Aber die Leute kriegen nichts mit.“ Im Laufe der Woche, hofft er, wird sich das schon legen. Noch muss er aber Sündenbock spielen. „Scheiß-BVG!“, tönt es aus der fahrbereiten U-Bahn. Eine junge Frau klemmt in der Tür und will hinaus. Zu spät hat sie realisiert, dass die Bahn hier wendet und zurückfährt.

Die meisten Opfer allerdings sind ahnungslose Touristen. Verstört schauen sie an den Wendepunkten Französische Straße und Friedrichstraße aus den fast leeren U-Bahn-Abteilen. Meistens erbarmt sich ein Berliner und schleppt sie mit zum oberirdischen Ersatzverkehr. Einige weniger deutschkundige Fahrgäste drehen jedoch kleine U-Bahn-Ehrenrunden, bevor sie in einem der 20 BVG-Busse landen.

Manfred Paul sitzt seit 10 Uhr „auf dem Bock“ und steuert seinen gelben Ommnibus über die verstopfte Friedrichstraße zur Französischen Straße und wieder zurück. 15-mal wird er die 500-Meter-Tour bis zum Feierabend um 18 Uhr noch fahren. „Bis jetzt ist alles ruhig. Aber so ab drei wird es lustig.“ Dann beginnt der Berufsverkehr. Sogar zu Fuß lässt sich die Strecke dann schneller bewältigen. „Lange Fahrten sind schon entspannter“, sagt Paul und wendet sich dem nächsten ratlosen Fahrgast zu.

Ab 16. Juni wird er genug Gelegenheit zu langen Fahrten haben. Zwischen dem Anhalter Bahnhof und dem Nordbahnhof werden dann die S-Bahnen 1, 2 und 25 gesperrt. Nach zehn Jahren Dauerbetrieb müssen die Gleisstränge erneuert werden. Neben dem üblichen Schienenersatzverkehr soll aber auch die U-Bahn stärker genutzt werden. „Auch deshalb verbessert die BVG jetzt die U 6“, sagt S-Bahn-Sprecher Holger Hoppe. „Auf Kosten der Deutschen Bahn werden die U-Bahnen der BVG im Sommer länger und öfter fahren.“ Ob Andreas Kirsch dann wieder die Massen beruhigen muss, weiß er nicht. Jetzt ist Feierabend, alles andere kommt später.