Coming-out im spanischen Beichtstuhl

Das offene Bekenntnis eines Pfarres zu seiner Homosexualität bringt die katholischen Kirchenoberen in Spanien in Wallung. Zumal der Abtrünnige auch mit pikanten Details aus dem Privatleben anderer Gottesmänner aufwarten kann

MADRID taz ■ José Mantero leistete sich ein Coming-out ganz besonderer Art: Der 39-jährige Pfarrer aus Valverde del Camino, einem Dorf im tiefen Süden Spaniens, offenbarte sich der größten spanischen Schwulenzeitschrift Zero. Die Hände zum Gebet verschränkt und im Priestergewand, ziert er die Kioske des Landes. „Ich danke Gott dafür, schwul zu sein, denn das hat mir die Fähigkeit gegeben zu lieben“, erklärt der Pfarrer und lässt damit lange Jahre der Lüge hinter sich: „Als ich aufs Priesterseminar ging, musste ich angeben, dass mich das andere Geschlecht anzieht.“ Dabei war ihm damals schon klar, dass er „anders“ war: Wenn er als 12-Jähriger mit seinen Freunden vor dem Fernseher saß, „interessierten die sich für die Blondinen und ich mich für die Lkw-Fahrer“.

Unumwunden gesteht Mantero ein, dass sein Coming-out nicht nur theoretischer Art ist. „Ich bin alles andere als enthaltsam. Ich habe sieben Jahre lang aus Überzeugung Zölibat gelebt, dann konnte ich nicht mehr.“ Dies sei nicht nur sein Problem. Er habe viele homo-, aber auch heterosexuelle Kollegen, die ihre Liebe ausleben. „Das ist eine Realität. In der Kirche muss eine Bewegung für ein freiwilliges Zölibat entstehen“, meint Mantero.

So viel Fleischeslust ist den Bischöfen gar nicht recht: „Abnormal“, „eine Behinderung wie Taubheit oder Blindheit“, sind nur einige der Vorwürfe, die sich Mantero von der Erzdiözese Galicien anhören musste. Die Nordregion ist die reaktionärste Ecke in einer wenig fortschrittlichen Kirche. So macht der Sprecher der Bischofskonferenz im Verhalten Manteros „Sünde und moralische Verwirrung“ aus. Der Artikel sei ein weiterer Teil einer „Kampagne gegen die Kirche“.

Spaniens Bischöfe stehen seit Monaten im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie Steuern hinterzogen und mehrere Religionslehrerinnen wegen ihres „unchristlichen Lebenswandels“ entlassen haben. Eine hatte sich nur im Standesamt verheiratet, die andere ging zu wenig in die Kirche und zu viel aus.

Der für Mantero zuständige Bischof in Huelva schweigt sich noch aus. Der fehlgeleitete Dorfpfarrer, der an diesem Wochenende keinen Gottesdienst abhielt, wartet auf eine Vorladung. „Die werden zu keinen direkten Repressalien gegen mich greifen. Die machen das verdeckter“, sagt Mantero. Ohne „drohen zu wollen“ verweist er auf sein Adressbuch. Das sei voller Telefonnummern schwuler Priester.

Während die Gläubigen in Manteros Gemeinde vor laufenden Fernsehkameras ihren Priester verteidigen, gibt die konservative Zeitung ABC die mögliche Linie für eine indirekte Bestrafung vor. Das Problem sei nicht die Homosexualität, sondern der Verstoß gegen das Zölibat. „Die Kirche, die alle Anstrengungen unternimmt, um die Homosexualität differenziert anzugehen, hat das Recht dazu, ihr internes Leben nach ihren Prinzipien und Grundsätzen zu regeln“, heißt es in der Samstagsausgabe.

Spontane Unterstützung bekam Mantero am gleichen Tag von Carlos Alberto, Vorsitzender der Schwulenvereinigung in der konservativen und kirchenhörigen Partido Popular von Spaniens Regierungschef José María Aznar. „Ich werde nicht zulassen, dass in einem demokratischen Land diesem Pfarrer oder sonst jemandem aus der Kirche Nachteile entstehen, weil er sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekennt“, erklärte Alberto. Wie er mögliche Repressalien verhindern möchte, weiß Alberto auch schon. Er selbst besuchte von 1980 bis 1984 das Priesterseminar. Dort hatte er drei Liebschaften. Alle drei sind heute Bischöfe. Outing? Nein, das klingt Alberto zu aggressiv: „Ich kann einfach über mein Privatleben reden und erwähnen, wer in der Bischofskonferenz sitzt und genau so eine Schwuchtel ist wie ich.“ REINER WANDLER