„Was tun die da den ganzen Tag?“

Mit gezielten finanziellen Anreizen wäre die Misere bei den Arbeitsämtern weniger groß – meint der Arbeitsmarktexperte Hilmar Schneider vom „Institut Zukunft der Arbeit“ in Bonn. Vermittler dokumentieren ihre Erfolge oft nicht, weil diese nicht gewürdigt werden

Rund 70 Prozent der Vermittlungen in den geprüften Arbeitsämtern gelten als fehlerhaft. Können Sie sich das erklären?

Hilmar Schneider: In den Arbeitsämtern wird ein EDV-gestütztes System benutzt, in das die Sachbearbeiter ihre Bemühungen eintragen. Der Rechnungshof hat wohl diese Einträge herangezogen, um zu sehen, was das Arbeitsamt zur Vermittlung beigetragen hat. Offenbar hat er in vielen Fällen keine Einträge gefunden. Daraus hat er den Schluss gezogen, dass die Bundesanstalt viel weniger tut, als sie zu tun vorgibt.

Hat er Recht?

Einerseits kann es sein, dass tatsächlich weniger vermittelt wird, als die Bundesanstalt sagt. Andererseits kann genauso vorkommen, dass die Sachbearbeiter zwar etwas tun, das System aber nur nachlässig mit Input füttern.

Erfolgreiche Vermittlungen werden nicht in das System eingegeben?

Ja. Und das kann dazu führen, dass die Zahlen jetzt dramatischer aussehen, als sie wirklich sind.

Was gilt denn als erfolgreiche Vermittlung?

Wenn jemand einen Job findet, dann gilt das als Erfolg. Egal ob auf dem ersten oder zweiten Arbeitsmarkt.

Und wenn man sich selbst einen Job gesucht hat?

Auch das gilt als Erfolg. Und gerade dann kann es passieren, dass die Daten nicht mehr korrekt eingetragen werden. Ein Sachbearbeiter ist froh, wenn er den Fall vom Tisch hat. Es gibt keinen Anreiz, den Erfolg ins System einzugeben, das ist eher lästig. Wenn es eine Prämie gäbe, müsste der Sachbearbeiter seinen Erfolg auch dokumentieren. Dann wären die Zahlen sicher verlässlicher.

Wie kommt es dann, dass hohe Vermittlungszahlen an die Bundesanstalt weitergemeldet werden?

Es ist normal, dass so ein Amt versucht, seinen Erfolg ein bisschen schönzurechnen. Das wird überall gemacht. Bisher wurden die Zahlen ja auch gar nicht problematisiert.

Welches Interesse haben die Ämter daran, möglichst hohe Vermittlungszahlen anzugeben?

Wer unter dem Durchschnitt liegt, müsste sich fragen lassen: „Was tun die da den ganzen Tag?“ Schlicht um nicht aufzufallen, gibt man da lieber das Übliche an. Die Zahlen wurden ja bisher auch nicht hart geprüft.

Warum eigentlich nicht?

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wo es keiner fordert, da passiert auch nichts.

Aber die Arbeitgeber fordern es doch.

Da sind die internen Widerstände dann wohl zu groß.

Was müsste denn nun geschehen?

Man müsste tatsächlich erfolgsabhängiges Arbeiten einführen, das sich in der Bezahlung niederschlägt. Da muss die Politik eingreifen.

Warum sind die Vermittlungszahlen so schlecht?

Die Mitarbeiter haben mit Sicherheit alle Hände voll zu tun. Wahrscheinlich braucht man, um tatsächlich mehr Menschen zu vermitteln, eine Menge mehr Mitarbeiter. Mit einem gezielten Anreizsystem könnte man sicher auch Effizienzreserven wecken.

Es gibt den Vorschlag, die Arbeitsvermittlung weiter zu privatisieren.

Das ist nur begrenzt möglich. Die Privaten würden sich die gut Vermittelbaren heraussuchen, der Rest bleibt auf der Strecke.

Ist das nicht heute schon so?

Ja, deshalb wäre ja auch ein Anreizsystem für die Vermittler sinnvoll. Geld ist immer eine gute Motivation.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH