Kreislauf der Süchte zum Abgewöhnen

■ Fingerübungen: Darren Aronofsky, Regisseur von „Pi“, legt mit der Hubert Selby-Verfilmung Requiem for a Dream eine weitere halluzinatorische Reise vor

Die eine Zelluloid-Kopie, mit der Darren Aronofskys Requiem for a Dream derzeit durch die Republik zieht, ist jetzt auch in Hamburg gelandet. Zwei Jahre nach seinem eigenwillig gefilmten Debüt, dem Paranoia-Thriller Pi, der 1998 Begeisterung und Kopfschütteln gleichermaßen auslöste, hat Aro-nofsky nun – zusammen mit Hubert Selby (Letzte Ausfahrt Brooklyn) – einen Roman des inzwischen 72-jährigen Autors in Szene gesetzt. Die Geschichte um den Junkie Harry Goldfarb, seine Freundin Marion, der er die Eröffnung eines eigenen Modesalons ermöglichen möchte, seinen Kumpel Tyron, aber auch die Mutter Sara Goldfarb, die nichts davon wissen will, dass ihr Sohn an der Nadel hängt, und selbst neben Fernsehsucht immer tiefer in einen Kreislauf von Tablettenabhängigkeit gerät, versetzt der Film in entrückende Zeitlosigkeit.

Nichts hat sich geändert seit 1978, als Hubert Selby dem amerikanischen Traum seine Totenmesse las (selbstverständlich abzüglich des in einem letzten Gebet üblichen Erlösungsversprechens). So möchte man wenigstens meinen, sieht man den vieren dabei zu, wie der Traum nach Geld und ein bisschen Glück für sie in der totalen Katastrophe endet, die der Film mit ähnlicher Brutalität vor Augen führt wie seinerzeit der Roman.

Nicht einen Film über Drogen, nein, einen richtigen Horrorfilm habe er drehen wollen, äußerte sich Aronofsky zu Requiem for a Dream. Allerdings mangelt es dem Film an einer entsprechenden Subtilität und der Spärlichkeit der Mittel, die so etwas erst spannend machen. Irgendjemand muss jungen Filmern immer wieder erzählen, wenn sie das ganze Repertoire der möglichen technischen Mittel des Films ausprobieren wollten, müss-ten sie sich nur Drogen zum Thema nehmen. Ganz offenbar lässt sich jede Spielerei mit Kamera und Schnitt rechtfertigen, wenn sie nur den vorgeblich veränderten Seh- und Hörgewohnheiten einer berauschten Hauptfigur zu entsprechen scheint.

Aronofsky hat mit Requiem for a Dream eine solche Anhäufung an Fingerübungen um das Sujet vorgelegt: stroboskopartiges Licht und Schnitte im Stakkato, Froschauge, die Perspektive von Überwachungs-, auch mal an den Figuren befestigte Handkameras, abenteuerliche Schwenks, Splitscreen, Zeitraffer, computerbearbeitete Bilder und eine stets dräuende Tonspur. Was vereinzelt und gezielt eingesetzt für einen Moment überraschende Bedeutungen freisetzen kann, scheint in der – aus dem Kosmos der Clips nur allzu bekannten – Häufung einzig und allein zu sagen: Hier leben Leute in einer Parallelwelt.

Es ist schon ärgerlich genug, dass Aronofsky das Lebensgefühl, das sich in Hubert Selbys Romanen findet, so umstandslos seines zeitlichen Zusammenhangs entkleidet. Platt genug, wie sich die halluzinatorischen Reisen von Mutter und Sohn gleichen. Am ärgerlichsten aber ist, dass der junge Filmer von heute dem Schriftsteller von damals folgt und nicht folgt: Der 33-jährige Aronofsky hat sich die Bitterkeit und das Selbstmitleid Hubert Selbys zu eigen gemacht. Und er hat gleichzeitig einen wirklich abschreckenden, einen geradezu pädagogischen Antidrogenfilm gemacht.

Christiane Müller-Lobeck

Do, So + Mo, 21.30 Uhr, Fr + Sa, 20.50 Uhr, Mo, 21.50 Uhr, Di, 17.30 Uhr + 23 Uhr, Abaton; ab 21.2. tägl., 22.30 Uhr, 3001