Roboter im Zustand der Erschöpfung

Die Ästhetik des Codes: Aktuelle Medienkunst bei der Transmediale im Haus der Kulturen (und im E-Werk)

Wie man es selber macht, erfuhr man im letzten Jahr. Nun geht’s an die Öffentlichkeit.

Nach „do-it-yourself“ sei doch „go public!“ der logisch nächste Schritt, meint Andreas Broeckmann, künstlerischer Leiter der Transmediale. Vor zwei Jahren übernahm er die Leitung des Berliner Medienkunstfestivals und es hat sich einiges geändert.

Go public! hat man sich wohl vor allem auch selbst zugerufen, und das bedeutet: raus aus der muffigen Kleinteiligkeit des Podewils, in der man seit 1988 mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit residierte. Die Büros bleiben dort (die Bonner Lösung), der Event aber greift ab sofort Raum im Haus der Kulturen der Welt.

Das hat Folgen. Für neue Räume braucht es neue Inhalte:

350.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds ermöglichen eine umfassende Werkschau über wichtige aktuelle Positionen der Medienkunst – laut Kuratorin Susanne Jaschko zum ersten mal überhaupt in Berlin.

Vierzehn Exponate aus der Installationskunst der letzten zwei Jahre werden zu sehen sein, die meisten davon feiern Deutschlandpremiere. Dabei dürften die Juke-bots des Robot-Lab und Autopoiesis von Kenneth Rinaldo wohl zu Publikumslieblingen werden: interaktive Installationen, in denen Industrieroboter den DJ geben und grazile Roboterskulpturen musikalisches Eigenleben entwickeln.

Das Foyer ist Meeting Point und Chill-Out-Zone: dort breitet sich zwischen Videoterminals und Sitzkissen die Media-Lounge aus, während in den Konferenzräumen um das digitale Erbe oder die neue Weltordnung des „Broadcasting“ gestritten wird -–nicht nur die unvermeidlichen indymedia-Vertreter, auch der Chefredakteur des arabischen Nachrichtensenders Al.-Dschasiera, Ibrahim M. Helal, werden am Donnerstag da sein.

Dass auch diesmal das do-it-yourself nicht zu kurz kommt, dafür sorgen die fünfstündigen Workshops, in denen elektronische Musikimprovisation, die Herstellung von Flash-Cartoons oder die Kunst des Hackens erlernt werden kann, bevor man abends zu den Screenings der Wettbewerbsbeiträge geht. Eine Menge Programm also, durch das man erst mal seinen Weg finden muss – die praktischen Festivalguides im Taschenformat sind da nur bedingt hilfreich.

Dabei zeichnete sich die Transmediale schon früher nicht durch inhaltlichen Reduktionismus aus. Als Videofest war sie gestartet und wurde schon bald zu einer Hybridveranstaltung, auf der auch Preise für Computerkunst vergeben werden, und diese Zwitterform ließ sich dem Publikum nie wirklich vermitteln. Doch die Grenzen wurden fließender in den letzten Jahren, und so hat man das Formatüberschreitende beherzt voran getrieben und die Trennung der Kategorien nach den beteiligten Medien – Computer vs. Video – nun endlich aufgegeben. Die Sparte ,Video‘ wird ersetzt durch ,Image‘, in der alle Formen von linearen oder nichtlinearen Bewegtbildern untergebracht sind, während für die „neueren“ Formen des Erzählens die Kategorie „Interaction“ zuständig ist. Hinzu kommt ein neuer Preis für Softwarekunst, in welcher „der Code das Ästhetische ist“ (Andreas Broeckmann.).

Was „artistic software“ sein soll, und was sie von der Medienkunst zu unterscheiden habe, blieb im letzten Jahr, als der Preis erstmals vergeben wurde, noch unklar. Diesmal nominiert: eine Suchmaschine, die Archäologie auf der eigenen Festplatte betreibt (roman rétrograde) sowie ein Shell Script, welches den Computer überlastet, bis er ächzend zum Stillstand kommt und die Erschöpfungsphase schließlich umsetzt in einen „künstlerischen Abdruck Ihres Systems in Stress“ (forkbomb).

Eine der Besonderheiten der Transmediale ist ihre für Medienfestivals leider nicht selbstverständliche Aufmerksamkeit nicht nur für da Auge, sondern auch für das Ohr. Das gilt nicht nur für das Medienfest an sich, sondern auch für die Abendgestaltung: wer sich tagsüber auf Berlinale oder Transmediale der Bilderflut ausgesetzt hat, kann sich des Abends zur akustischen Kompensation in den club transmediale begeben. Zwei Wochen lang wird jeden Abend das totgeglaubte E-Werk bespielt mit einer Gästeliste, welche den Stand der elektro-akustischen Dinge würdig und umfassend dokumentiert, dabei will man alles, was es bisher an Clubgestaltung gab, hinter sich lassen. Hört, hört.

Einen Publikumspreis gibt es übrigens auch, und er wird begleitet vom „Public Bet“ Wettbüro, in dem man auf den Publikumsliebling Wetten abschließen kann. Nicht nur „go public!“ also, sondern auch: wer holt den Jackpot? SEBASTIAN HANDKE

Festival: 5. - 10. Februar. Club: 5. - 17. 2. Ausstellung: 5. - 24. Februar