Schönbohm versenkt Fusion

Brandenburgs CDU-Chef beerdigt geplante Länderehe wegen der Berliner Finanzkrise. PDS: Klage auf Haushaltsnotstand ist unvermeidlich. Grüne: Ende der Neuverschuldung 2009 schon jetzt Makulatur

von STEFAN ALBERTI

Der Nachbar poltert, der kleinere Koalitionspartner will zum Verfassungsgericht, die Grünen fordern eine Expertenkommission. Einen Tag nachdem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) seine Vorstellungen von der zukünftigen Berliner Haushaltspolitik bekannt gab, überschlagen sich die Reaktionen. Am lautesten: Brandenburgs CDU-Chef und Vizeregierungschef Jörg Schönbohm, der die geplante Länderehe mit Berlin abschrieb. „Im Moment ist die Fusion tot“, sagte er mit Blick auf die Berliner Finanzen. Senator Sarrazin hatte am Dienstag neue Kredite von 6,3 Milliarden Euro angekündigt.

Senatssprecher Michael Donnermeyer sah keinen Anlass, die Fusion in Frage zu stellen. „Wir wissen, dass wir noch Hausaufgaben zu machen haben“, sagte er der taz. Der Koalitionsvertrag von SPD und PDS sieht einen Volksentscheid für 2006 und die Vereinigung für 2009 vor. Aus Senatskreisen hieß es, Schönbohms Äußerung sei als Parteipolitik zu werten. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) widersprach seinem Vize Schönbohm: Die Zukunft der Region könne nur vernünftig gestaltet werden, wenn es gelinge, beide Länder zusammenzubringen.

Aus der rot-roten Regierungskoalition gab es neue, entschiedenere Töne zur Frage einer möglichen Klage am Bundesverfassungsgericht. „Der Gang nach Karlsruhe ist unvermeidlich“, sagte PDS-Fraktionschef und Haushaltsexperte Harald Wolf. Sarrazin hatte es zuvor trotz hoher Verschuldung und höheren Risikos durch die Bankgesellschaft abgelehnt, zurzeit beim Verfassunsgericht einen so genannten Haushaltsnotstand feststellen zu lassen.

Mit einer solchen Klage ließe sich erreichen, dass der Bund Geld nachschießt, allerdings um den Preis der Haushaltshoheit. Für Wolf war seine Haltung „kein absoluter Widerspruch“ zu Sarrazin. „Ich glaube auch nicht, dass wir nächsten Monat dort auf der Matte stehen“, so Wolf. „Wir müssen verdammt viel selbst tun.“

In diese Richtung äußerte sich auch die grüne Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitikerin Franziska Eichstädt-Bohlig: Der Gang nach Karlsruhe und zusätzliche Bundesmittel seien kein Ersatz für harte eigene Sparmaßnamen. Dazu forderte sie eine Expertenkommission mit den drei Arbeitsfeldern Bankgesellschaft, niedrigere Verwaltungskosten und Neukonzeption der Wohnungswirtschaft.

Für ihre Grünen-Kollegen im Abgeordnetenhaus kollidiert die geplante Neuverschuldung von 6,3 Milliarden mit der Aussage der rot-roten Koalition, dass die Stadt 2009 ohne neue Kredite auskommen soll. Ihr finanzpolitischer Sprecher Jochen Esser sagte, dieser Zeitrahmen sei „endgültig Makulatur“. Er empfand es zudem als Ablehnung für Sarrazin, dass der Vermögensausschuss gestern nicht einer Risikoübernahme für die Bankgesellschaft zustimmte. Der Finanzsenator geht davon aus, dass jährlich 300 Millionen Euro das Immobiliengeschäft der Bank absichern.

Eine solche Verpflichtung hat die EU nach Angaben von Ausschusschef Bert Flemming (SPD) vom Senat verlangt. Er widersprach Essers Darstellung, dass der Ausschuss sein Votum wegen fehlender Informationen vertagt habe: „Ich muss auf einer anderen Veranstaltung gewesen sein“, sagte Flemming der taz. „Es war niemals geplant, gestern abzustimmen.“ Mit einem Votum am 22. Februar im Vermögensausschuss und am 7. März im Abgeordnetenhaus liege das Land in den Terminvorgaben der EU. Flemming bezog sich dabei auf Angaben der Finanzverwaltung.