Seeverhandlungen nicht mehr öffentlich

Kapitäne, Umweltverschmutzer und andere bleiben künftig inkognito. Seeämter sollen zusammengelegt werden

SASSNITZ/BERLIN taz ■ Journalisten, Institutionen, Vereine und interessierte Menschen sollen schon bald nicht mehr mit ihren eigenen Augen und Ohren die Verhandlungen nach Schiffsunglücken auf hoher See verfolgen können. Dies bekräftigten Sozialdemokraten und Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen jetzt mit ihrer Zustimmung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages zu einem neuen Gesetzentwurf für die künftige Untersuchung von Seeunfällen, der drastisch in die seit 120 Jahren bestehenden Kompetenzen der fünf deutschen Seeämter eingreift (taz v. 31. 12. 01).

Die Mehrheit im Ausschuss entschied sich in der letzten Woche damit nicht nur gegen die Stimmen der Parteien der Opposition, sondern auch gegen zunehmend stärker werdende Proteste aus den fünf Bundesländern an Deutschlands Nord- und Ostseeküste. Am 21. Februar 2002 soll das vom Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnunswesen, Kurt Bodewig (SPD), auf den Weg gebrachte neue Gesetz im Bundestag zur Sprache kommen.

Aktivisten von Greenpeace forderten vor der Sitzung die Mitglieder des Verkehrsausschusses dazu auf, Untersuchungen von Schiffsunglücken auch weiterhin öffentlich durchzuführen. Greenpeace-Schifffahrtsexperte Christian Bussau: „Nur durch die Öffentlichkeit kann sichergestellt werden, dass Verantwortliche beim Namen genannt werden und nichts verheimlicht und vertuscht wird.“

Doch gerade diese Atmosphäre von Tadel und Schuldzuweisung, die bislang in so mancher Seeamtsverhandlung spürbar war, will das Verkehrsministerium künftig wohl verhindern. Hinzu kommt, dass man sich in der Regierung durch die Mitgliedschaft in der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und durch EU-Richtlinien zu dem neuen Gesetz verpflichtet glaubt.

Jochen Hinz, Vorsitzender des Personalrates der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord, hält dem geplanten Prozedere entgegen: „Nur ein angeklagter Kapitän, der selbst Zeugenaussagen hört und das Recht zu eigenen Fragen hat, nimmt aktiv an einem fairen Verfahren teil.“ Jurist Hinz, der auch Vorsitzender des Bundesoberseeamtes in Hamburg ist, verweist darauf, dass seine Behörde bereits jetzt über eine Erstzuständigkeit bei Seeunfällen in internationalen Gewässern verfügt: „Die beteiligten Staaten bilden bei Havarien eine gemeinsame Untersuchungskommission.“ Die IMO gelte sowohl für nichtöffentliche als auch für öffentliche Verfahren. Mit dem neuen Gesetz soll das Bundesoberseeamt in eine neue Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen umgewandelt werden.

Die Gegner des neuen Gesetzes hoffen jetzt, dass die Bundesländer im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen.

DIETER W. BAUER