Gegen die Wand gefahren

Beschäftigungsträger warnen: Zweiter Arbeitsmarkt vor dem Zusammenbruch  ■ Von Marco Carini

Sie restaurieren die schmiedeeisernen Fenster des Michel und machen die Hamburger Museumsschiffe flott. Sie begleiten die Fahrgäste in der S-Bahn und organisieren die Pausenverpflegung in vielen Schulen. Ohne den Einsatz von ehemaligen Langzeitarbeitslosen, die über staatlich geförderte ABM-Jobs und vergleichbare Maßnahmen in die Arbeitswelt zurückgeführt werden, wären all diese Arbeiten nicht bezahlbar.

Doch 100 Tage nach dem Amtsantritt des neuen Senats schlagen die im Hamburger Landesverband der „bag arbeit e. V.“ zusammengeschlossenen elf Beschäftigungsträger Alarm. Ihr Vorwurf: Die neue Hamburger Arbeitsmarktpolitik fahre die öffentlich geförderte Beschäftigung gegen die Wand. Zahlreiche Träger seien existenziell gefährdet, Langzeitarbeitslose würden um ihre Perspektiven gebracht.

Zwar wüssten die Träger, dass die Zahl der ABM-Stellen drastisch eingedampft und die Vergütungen für die geförderten Beschäftigten reduziert werden sollen - doch verlässliche Ansagen der zuständigen Wirtschaftsbehörde gäbe es bislang nicht. Zwischen Amt und Trägerverbänden herrscht Funkstille. „Was wir mitbekommen, erfahren wir aus der Zeitung“, klagt Hamburgs bag-Chef Angelo Wehrli.

So konnten die Beschäftigungsträger den Medien entnehmen, dass die Zahl der ABM-Stellen trotz galoppierender Arbeitslosigkeit im laufenden Jahr von 2000 auf 1500 gesenkt werden soll. Doch welche Beschäftigungsprojekte auslaufen sollen, ist völlig unklar. „Wir können unseren Mitarbeitern nicht sagen, ob sie am Jahresende noch Arbeit haben“, ärgert sich der Geschäftsführer von „Beschäftigung und Bildung e. V.“, Stephan Müller.

Zurzeit erhalten die Beschäftigungsträger monatliche Abschläge, die rund 10 Prozent unterhalb der Vorjahreszuwendungen liegen. Da Miete und Arbeitslöhne aber nicht kurzfristig reduzierbar sind, geraten viele der 30 Hamburger Träger ins Trudeln. „Einige halten das nicht durch“, prophezeit Wehrli: „Und das ist auch so gewollt.“

Die 11,5 Millionen Euro, um die der Senat den arbeitsmarktpolitischen Etat ausdünnen will, sollen vor allem bei der Entlohnung der öffentlich geförderten Beschäftigten eingespart werden. Da die bislang an Tariflöhnen orientierte Vergütung um durchschnittlich 250 Euro sinkt, werden laut „bag arbeit“ rund 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in Zukunft so wenig verdienen, dass sie auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sind. Deshalb weiß Gisela Beck, Geschäftsführerin des Trägers „GATE“ nicht, „wie ich unter solchen Bedingungen Arbeitslose für Beschäftigungsmaßnahmen motivieren soll“.

So ist für viele Langzeitarbeitslose etwa die Abtragung ihrer privaten Schulden eine wichtige Vo-raussetzung, um wieder auf die Beine zu kommen. Unter den neuen Rahmenbedingungen ein Ding der Unmöglichkeit. Gisela Beck weiß: „Wer nur über das Existenzminimum verfügt, muss über Schuldentilgung gar nicht nachdenken.“