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philipp maußhardt über KlatschSind wir nicht alle Frisöre?

Gerhard Meir hat es vom Narr der Schickeriafürstinnen zum Star der Boulevardblätter gebracht – und ein BUCH verfasst

Darf man voraussetzen, dass taz-LeserInnen Gerhard Meir kennen? Na, Udo Walz schon mal gehört? Man muss ja gar nicht unbedingt bei einem der beiden Promi-Friseure Kunde sein, man kann ja ruhig weiterhin in Moni’s Frisierstübchen schneiden lassen. Aber kennen sollte man Meir und Walz unbedingt. Sie sind die Vorhölle der deutschen „Society“. Hier checkt die First Class ein und die Fürstenklasse sowieso. Udo Walz ist Platzhirsch in Berlin, während Meir außer in München (mittwochs, donnerstags, freitags) die Damen in Hamburg (montags, dienstags) und in Berlin (samstags) beglückt. Bisweilen ordern ihn seine Kundinnen auch auf die Malediven oder nach Barbados. Man sieht also: Der Mann lebt vorwiegend im Flugzeug.

Und da hat Meir keine Schere in der Hand, sondern einen Bleistift. Mit dem kritzelt er auf Schmierpapier, was ihm so durch den Kopf geht nach dem Waschen, Schneiden, Föhnen, Legen. Fast ein Jahr lang hat er gekritzelt – und nun ist daraus unter tätiger Mithilfe der promovierten Philosophin (!) Christine Eichel ein Buch, ja ein veritabler Roman entstanden, der klatschmäßig eine mittlere Sensation darstellt. Denn Meir schreibt über Meir, alle Hauptfiguren sind aus dem prallen Salon gegriffen und manche Kundin wird sich wieder erkennen („Der Salon“, Hoffmann & Campe, 19,90 Euro). Jetzt aber nicht gleich in die nächste Buchhandlung rennen! Der Roman liegt erst vom 15. Februar an auf den Ladentischen.

Aber ich habe stellvertretend für die taz-Leser schon einmal hineingeschaut und Meir in seinem Münchner Salon dazu beglückwünscht.

Gerhard Meir hat in den fast 25 Jahren seines haarigen Wirkens nämlich etwas geschafft, was eigentlich gar nicht geht. Vergleichbar, wenn der Hofnarr seinerzeit dem König die Schau gestohlen hat. Meir ist selbst Mitglied, wenn nicht sogar Regisseur der Highsociety dieses Landes geworden, ein Star, den man hofiert. Erscheint er auf einem Fest (Event), strahlt durch seine Anwesenheit Glanz auf die übrigen Gäste, und auf seinen legendären Sylt-Partys ist längst nicht mehr zu trennen, wer hier wen shampooniert. Meir, um mit seinen eigenen literarischen Worten zu reden, „definiert, was diese Gesellschaft ist“. Der Frisör – ein VIP, wenn es noch weiterer Beweise unserer demokratischen Gesinnung bedarf …

Nun zu Meir und Eichels Werk: ein Schlüsselroman, aber ohne Sicherheitsschloss. Aufstieg und Fall eines Figaros. Schnell erkennt man, wer da gemeint ist. Am morgigen Samstag wird Meir (im Roman: „Julian“) beispielsweise wieder eine seiner Stammkundinnen frisieren, die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Zu diesem Zeitpunkt wird die Fürstin noch nicht wissen, dass sie als „Alexa war wirklich ein ahnungsloses Hühnchen“ bezeichnet wird. Oder noch schöner: „frisch gefürstetes Hühnchen“. Meir wird aufpassen müssen, dass Gloria nicht demnächst die Schere umdreht und schnipp, schnapp!

Nicht zu reden von den Klatschkolumnistinnen („Tintenluder“) dieses Landes aus den Boulevardmedien, die Meir offenbar nicht sonderlich gut leiden kann. Sie sind die traurigsten Figuren in seinem Scherenschnittkabinett, eine endet gar in der Klapsmühle. Ihr Chef, Hermann Huber (angelehnt an den Ex-Bunte-Chefredakteur Franz Josef Wagner), ist bis zur Kenntlichkeit entstellt: „Hermann Huber lehnte wie immer leicht angeschlagen am Tresen und belästigte neu hinzukommende Gäste mit Zitaten aus seinen Editorials.“ Darf man das? Gibt es wie das Arztgeheimnis nicht auch ein Frisörgeheimnis?

Am Mittwoch dieser Woche stand Meir in seinem wunderschönen Münchner Salon „Le Coup“ und hielt die erste gedruckte Ausgabe seines Romans in der Hand. „Den Wahrheitsgehalt würde ich auf 30 Prozent beziffern“, sagte er, zog kurz an einer Zigarette und war schon wieder bei einer seiner Kundinnen, um ihr die Haare zu schneiden. Er ist immer in Bewegung. Von einer zur andern, und sie lächeln ihn durch den Spiegel an, wenn er hinter sie tritt. Ruhelos und doch konzentriert. Figaro hier, Figaro dort. Plötzlich steht er wieder neben mir: „Es sind nur Anlehnungen an reale Personen, niemand muss sich getroffen fühlen, es ist ein fiktiver Roman.“ Ein Satz, den er wohl noch häufig wiederholen muss.

Vor allem seinem Berliner Kollegen Udo Walz („Bodo Lansky“) gegenüber. Dem ließ Meir diese Woche schon mal ein Exemplar vorab zukommen. Vielleicht aus schlechtem Gewissen. Denn Walz/Lansky kommt nicht gut weg („immer häufiger floh er nach New York, um seine leicht ramponierte Aura mit dem Fluidum der Weltläufigkeit aufzuladen“), rettet aber schließlich den abgestürzten „Julian“ am Ende des Romans doch noch aus der Gosse.

Wunderbar. Scheren zu Schreibmaschinen! Sind wir nicht alle Frisöre?

Fragen zum Klatsch?kolumne@taz.de

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