Afrikas Führer begraben ihre Fluglinie

Gestern sollte bei einem Staatengipfel in der Elfenbeinküste die Liquidierung von „Air Afrique“ beschlossen werden

BERLIN taz ■ Wann ist eine Fluglinie keine Fluglinie? Wenn sie keine Flugzeuge hat. Seit „Air Afrique“ am 17. Januar ihre letzte eigene Maschine an ihre Gläubiger abtreten musste, ist die panafrikanische Fluggesellschaft faktisch tot. Gestern traten die Staats- und Regierungschefs des frankophonen Afrikas in der Elfenbeinküste zusammen, um die Liquidierung zu beschließen.

Damit geht eine Epoche zu Ende. Air Afrique, geboren per Staatsvertrag am 28. März 1961, war nie ein kommerzielles Unternehmen, sondern ein nationalistisches. Es war dazu da, dass Afrikas Staatschefs ihre Parisreisen nicht immer in Flugzeugen mit der Aufschrift „Air France“ machen mussten. Die Entscheidungen trafen keine Manager, sondern die Präsidenten der an der Gesellschaft beteiligten Staaten: Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Kongo-Brazzaville, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal, Togo, Tschad und Zentralafrikanische Republik – Kamerun und Gabun traten 1977 aus.

Air Afrique wurde so wie das frankophone Afrika insgesamt: Auf der einen Seite glitzernde Bürofassaden, geschniegelte Manager, modernste Maschinen und der Ehrgeiz, das Unmögliche möglich zu machen und auch aus den entlegensten afrikanischen Hauptstädten Direktflüge nach Europa zu bieten. Auf der anderen Seite buchhalterisches Chaos, maßloser Gigantismus, Flugpläne ohne Gewähr, Freikarten für alle Mächtigen und deren Angehörige, zuviel Personal, vor allem auf hochdotierten Ebenen.

Nie schaffte es Air Afrique, sich von Air France zu emanzipieren, der staatlichen Fluglinie des Mutterlandes und ein Minderheitsaktionär von Air Afrique. Nach dem Golfkrieg von 1991 nahm Air France auf Air Afrique keine Rücksicht mehr: Sie bot dieselben Strecken viel billiger an und löste die schwierige Stornierung neuer Airbus-Aufträge dadurch, dass Air Afrique die überzähligen Maschinen übernehmen sollte.

Air Afriques Kauf auf Kredit von vier Maschinen des Typs Airbus 310-300 im Jahr 1992 erwies sich als fatal. Die afrikanische Fluglinie häufte Millionenschulden an, die sie jahrelang nicht bediente. Am 7. Juli 1998 pfändete die französische Bank Crédit Lyonnais die vier Airbusse wieder. Es war der Anfang vom Ende für Air Afrique, die damals noch Zugriff auf 16 Maschinen hatte. Die Schulden der Gesellschaft wuchsen weiter, auf zuletzt umgerechnet 506 Millionen Euro.

Nach wiederholten nicht umgesetzten Rettungsplänen wurde am 30. Januar 2001 ein US-amerikanischer Manager eingesetzt. Jeffrey Erickson entließ nach einer Woche Amtszeit 1.000 der 4.126 Angestellten, nach einer weiteren Woche noch mal 1.000. Das konnte nicht gutgehen. Das Jahr 2001 war ein Streik- und Protestjahr. Erickson und seine afrikanischen Kollegen verkrachten sich gründlich. Im Sommer 2001 eskalierte der Streit dermaßen, dass Erickson Abidjan nicht mehr verlassen konnte: Das Personal von Air Afrique weigerte sich, Flugzeuge mit ihm an Bord abzufertigen, und Air France wies ihn aus Sicherheitsgründen ab.

Wenig später legte Air France einen Plan zur Übernahme von Air Afrique vor. Nach diesem Plan, den die Staatschefs der beteiligten Länder im August annahmen, würde Air Afrique zugunsten einer „neuen Air Afrique“ verschwinden. An dieser würde Air France 35 Prozent halten, die staatlichen afrikanischen Teilhaber 22 Prozent. Die „neue Air Afrique“ würde hauptsächlich den Flugverkehr Richtung Paris weiterführen und die anderen Verbindungen abtreten.

Viele Kritiker sehen darin eine Rekolonisierung des west- und zentralafrikanischen Luftraums und eine afrikanische Kapitulation gegenüber Frankreich. Aber eine Alternative haben sie nicht. Wie so oft im frankophonen Afrika bot allein Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi eine an: Er würde Air Afriques Schulden zahlen, wenn er die Firma haben dürfte, schlug er vor kurzem seinen verblüfften Präsidentenkollegen vor. Die lehnten dankend ab.

Aber Gaddafi lässt nicht locker. Er hat eine „Afriqiya Airways“ gegründet, die jetzt schon Burkina Faso, Mali, Niger, Tschad und Sudan anfliegt; mehr Länder sollen folgen. Zahlreiche andere Fluglinien aus Ländern wie Algerien und Kamerun werben weitere Flugpassagiere der Air-Afrique-Länder ab.

Das ist immerhin Realität, während die Pläne von Air France erst noch umgesetzt werden müssen. Air Afriques Rekolonisierung könnte im Stadium der Liquidierung steckenbleiben. Im Rückblick erscheinen die Gründungstage der Gesellschaft als die Zeit der Wahrheit. Air Afriques erstes Büro in Abidjan, Hauptstadt der Elfenbeinküste, befand sich in einer Villa mit der Adresse „Sackgasse von Paris“.

DOMINIC JOHNSON