„Die fegen einfach Leute um“

Am Rande der Demonstrationen gegen die Münchner Sicherheitskonferenz hat ein Polizist die 76 Jahre alte Rentnerin Sabine Behrendt umgerannt. Die taz sprach die ehemalige Friedensaktivistin gestern nach ihrem fünftägigen Krankenhausaufenthalt

Interview: OLIVER HINZ

taz: Frau Behrendt, Innenminister Günther Beckstein spricht von „einer Art Unfall“. Was ist am Samstag passiert?

Sabine Behrendt: Ich war mit meinen beiden Söhnen und meiner Enkeltochter an der Kirche „Alter Peter“ unterwegs. Ich wollte anschließend alleine ins Café Richard gehen. Dann hörte ich so einen Trupp Polizisten im Dauerlauf da ankommen. Und dachte noch, wo gehst du jetzt hin?

Ich hatte Angst, dass ich miteingekesselt werde. Ich blieb einfach stehen. Die kamen näher. Es war genug Platz auf der Straße. Die wären an mir vorbeigekommen. Ein Polizist ist mit voller Wucht frontal gegen mich gerannt, so dass ich mit dem Hinterkopf voll auf dem Asphalt aufschlug. Ich war natürlich ganz benommen. Die Brille war kaputt. Kein beteiligter Polizist kümmerte sich um mich. Nur Passanten halfen mir wieder auf die Beine. Ich sehe das nicht als Unfall. Der Polizist hat mich ja gesehen und fixiert.

Wie geht es Ihnen jetzt?

Wenn ich länger spreche, bekomme ich starke Kopfschmerzen. Ich werde schnell müde und bekomme Schwindelgefühle. Aber im Ganzen geht es mir besser. Mittwoch wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich wurde dort untersucht, und es stellte sich heraus, dass ich eine Gehirnerschütterung hatte und leider eben auch eine Hirnblutung, was mich sehr beunruhigt hat. Ich habe auch starke Prellungen an der Hüfte, am Handgelenk und am Ellenbogen.

Sind Sie in der Friedensbewegung aktiv?

Ich war früher in der Friedensbewegung aktiv, war auch in Mutlangen und Wackersdorf. Nach dem Tod meines Mannes habe mich nur noch an für mich wichtigen Demonstrationen beteiligt. Ich fühle mich immer noch dazugehörig und bin auch gegen die Sicherheitskonferenz. Ich war entsetzt, dass diese Demo verboten wurde. Ich fand das absolut unbegründet. Es wäre absolut friedlich abgelaufen. Ich wollte durch meine Anwesenheit meinen Protest gegen das Verbot ausdrücken.

Hat sich die Polizei bei Ihnen gemeldet?

Es war schon im Krankenhaus einer vom Polizeipräsidium da und hat das mal so aufgenommen. Die Polizei ermittelt jetzt im Auftrag der Staatsanwaltschaft und im eigenen Interesse, um den Schuldigen zu suchen und Zeugen zu finden.

Was werden Sie tun?

Ich werde mich erst einmal erkundigen. Ich will, dass das alles über meinen Anwalt läuft. Ich brauche jetzt auch noch Ruhe. Mir geht es wirklich noch nicht gut. Es geht auch um die Kostenerstattung. Abgesehen von den Krankenhauskosten und der Brille habe ich ja noch ziemliche Ausfälle. Ich muss meinen Flötenunterricht an der Musikschule zahlen, obwohl ich einige Zeit nicht mehr spielen darf.

Was halten Sie von dem Polizeieinsatz?

Diese harte Tour der Polizei empfinde ich keineswegs weniger brutal als die Einkesselung beim Münchner Weltwirtschaftgipfel vor zehn Jahren. Das oft viel zu schnelle massive Gedrücke gegen die Demonstranten führte fast zu einer Panik. Das löste bei mir große Ängste aus. Es geht nicht, dass diese Polizistentrupps durch die Stadt laufen und die Leute umfegen. Und der Oberbürgermeister Christian Ude rühmt sich, wie toll der Einsatz war. Da scheint es egal, ob Leben oder Gesundheit aufs Spiel gesetzt werden. Hauptsache, er kann sich brüsten, aus München ist kein zweites Genua geworden.