Rasterfahndung in Hessen ausgemustert

Landgericht Wiesbaden erklärt den massenhaften Datenabgleich für rechtswidrig. Gefahrenprognose sei unbegründet

WIESBADEN/GÖTTINGEN taz ■ Mit deutlichen Worten hat das Wiesbadener Landgericht gestern die in Hessen seit dem 24. September laufende Rasterfahndung für rechtswidrig erklärt. Es hob einen Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden auf, in dem auf Antrag des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) die Fahndung genehmigt worden war.

Nur wenn ein befürchtetes „schädigenden Ereignis“ bereits zu wirken begonnen habe oder unmittelbar bevorstehe, sei die Rasterfahndung zu rechtfertigen, schrieb das Landgericht zur Begründung. Aber selbst die Bundesregierung gehe nicht von direkt bevorstehenden terroristischen Anschlägen in der BRD aus. In der Begründung seines Antrages vom September 2001, nur knapp zwei Wochen nach den Terroranschlägen auf New York und Washington, sei das LKA allein von „Vermutungen“ ausgegangen. „Trotz monatelanger intensiver Fahndungen ist der Antragsteller mit seinem Vorbringen über das Stadium der Mutmaßungen nicht hinausgekommen“, erklärte das Landgericht. Das sei keine Begründung für eine Rasterfahndung. Und: „Nicht einmal die vom Antragsteller vorhergesagten Demonstrationen mit massiver muslimischer Beteiligung haben stattgefunden.“

Das hessische Landeskriminalamt reagierte gestern etwas dürr: „Das ist jetzt zunächst Sache der Justiz“, erklärte Sprecher Hans Beilstein: Theoretisch bleibt dem LKA nun die Möglichkeit, gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen. Das Urteil von gestern entschied einen Rechtsstreit zwischen einem Gießener Studenten sudanesischer Staatsangehörigkeit und dem LKA Hessen. Der Student hatte Beschwerde eingelegt, weil er sein Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ gefährdet sah. Zuvor hatte ihm in dieser Sache bereits das Hessische Oberlandesgericht ein Beschwerderecht zugesprochen und den Fall an das Landgericht Wiesbaden zurück verwiesen. Sein Anwalt Wilhelm Achelpöhler sagte gestern zur taz, nun sei Anlass gegeben, „die Rasterfahndung in Hessen gänzlich einzustellen“.

Ob das Urteil Auswirkungen auf die in fast allen anderen Bundesländern ebenfalls stattfindende Rasterfahndung haben wird, ist noch nicht abzusehen. Die gesetzlichen Grundlagen sind nicht überall dieselben. In Nordrhein-Westfalen stehen ähnliche Entscheidungen demnächst an. YASSIN MUSHARBASH