: Meisterin der Ambivalenz
In „Heaven“ gibt sich Cate Blanchett asketisch, im Film „Schiffsmeldung“ spielt sie eine Schlampe. Für die australische Schauspielerin schrieb mancher Regisseur sogar seinen Plot um. Ein Porträt
von BIRGIT GLOMBITZA
Die Haare aufgetürmt wie ein Heuhaufen, die Augenlider noch schwer von der letzten Nacht. Dazu ein Lippenstift, der sich von den natürlichen Konturen ihres Mundes in keine Schranken weisen lassen will. So sitzt Cate Blanchett als Petal Bear den Männern mit langsam beschlagendem Blick am Tresen gegenüber. Dann wickelt sie sich Strähnen um den Fingern und redet vom Ficken wie der Bäcker vom Mehl. Ungebremst laut und ordinär.
Für Trash-Sirenen wie Petal Bear ist im Kino-Olymp eigentlich kein Platz. In den Filmen von Lasse Hallström gibt es so etwas schon gar nicht – oder nur, um ein schlechtes Beispiel, gar einen Sündenfall zu markieren. In seinem jüngsten Film „Schiffsmeldung“ muss Petal auch ganz schnell bei einem Autounfall sterben. Damit der stofflige, arme Quoyle (Kevin Spacey), der eigentlich schon genug am Trauma eines brutalen Vaters abzutragen hat, fast den gesamten Film lang Zeit hat, von den Eheerfahrungen an der Seite dieser Schlampe zu genesen. Es ist spannend, Cate Blanchett zuzuschauen, mit welcher Mischung aus Wut und Trotz sie sich in zu enge Jeans quetscht, um auszugehen und um ja herauszukommen aus dem Leben mit dem herzensguten Daueropfer Quoyle, das ihr noch ungleich enger vorkommen muss. Denn egal, ob die Neuseeländerin sich in eine gelangweilte Hausfrau („Bandits“) oder eine Kartenlegerin („The Gift“) verwandelt, man sieht ihr gerne dabei zu.
Seltsam mechanisch fällt Blanchetts Spiel in Tom Tykwers „Heaven“ aus, in dem sie als Philippa den Tod ihres Mannes rächen will. Sie legt eine Bombe, die vier Unschuldigen den Tod bringt, und flieht mit einem Carabiniere. Eine Flucht, die sie nie wirklich ins Freie führt. Noch nie sah man Blanchetts Gesicht so leer geräumt. Mit somnambuler Mechanik bewegt sie sich durch Turin. Etwas fließender, weicher später durch die Toskana. Tykwers Stilwille wollte es so. Reduziert und asketisch. Und das mit aller Kraft. Die Anstrengung, die eine solche Diät mit sich bringt, merkt man „Heaven“ leider an. Doch auch hier erweist sich Cate Blanchett als eine Meisterin der Ambivalenz. Nie schaut sie einfach nur ätherisch aus. Bei ihr gibt es immer die Option, dass die ganze Strenge jederzeit ins Verspielte, die ganze klare Schönheit mit einem Mal ins Böse oder gar Vulgäre kippen kann. Wenn ihre Augen sich verdunkeln und Hektikflecken über die Wangen huschen, zieht der ganze Zwiespalt ihrer Rolle in ihr Gesicht ein. Macht wird zum Fluch („Elizabeth“), Weisheit zur Koketterie („The Gift“), Selbstsicherheit zur Scham („Schiffsmeldung“). Dabei kann sie ohne jeden Make-up-Zauber spielend ebenso wie Ende vierzig oder wie Anfang zwanzig aussehen.
Nur für sie soll Anthony Minghella eine neue Figur in seinem „Der talentierte Mr. Ripley“ erfunden haben. Shekhar Kapur, der Regisseur von „Elizabeth“, wollte Blanchett wegen ihrer „Lichtdurchlässigkeit und Zeitlosigkeit“ unbedingt für die Hauptrolle, die ihr 1999 den Golden Globe und eine Oscar-Nominierung einbrachte. Wenn es sein muss, hält sich Blanchett auch einfach nur wacker. Wie in „In stürmischen Zeiten“ von Sally Potter. Dort gibt sie als Freundin Lola einfach den plappernden Hintergrund ab, vor dem Suzies (Christina Riccis) Schweigsamkeit noch ein wenig introvertierter und bedeutungsvoller wirkt.
Catherine Elise Blanchett, die 1969 in Melbourne als Tochter eines amerikanischen Vaters und einer australischen Mutter geboren wurde, hat sich fest vorgenommen, Schauspielerei nicht als Therapeutikum zu betreiben. Sie will nicht geliebt werden, wenigstens nicht um jeden Preis. Sie will auch nicht, wie viele Kolleginnen, so lange für eine Rolle hungern, „bis auch deine Gehirnzellen einschrumpfen. So wird man nie gut arbeiten können“, lässt sie sich in Interviews regelmäßig über die pathologischen Mechanismen der Illusionsmaschine Hollywood aus.
Ob Independent- oder Studio-Film: Sie weiß, was sie tut. Und wenn sie die Elbenfürstin Galadriel in „Herr der Ringe“ spielt, ist es nicht wegen einer nibelungenhaften Aura, nicht wegen dieser transzendentalen Weisheit, die Galadriel bis in die Haarspitzen leuchten lässt. Sondern weil Cate Blanchett „einmal diese Elbenohren“ tragen wollte, wie sie in einem Interview mit der Woche bekannte. Einen besseren Grund kann es kaum geben.
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