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Entfernter Schmerz

Leichen pflastern ihren Weg: „The Princess Blade“ (Forum) ist ein Eastern ohne jeden Funken Hoffnung

Am Firmament fliegt langsam ein Flugzeug vorbei. Und auch für den Passagier an Bord ändert sich die Landschaft auf der Erde kaum, wenn er aus dem Fenster schaut. Immer wieder trickst die reale Geschwindigkeit deren physische Wahrnehmung aus.

Beim asiatischen Kampfkunstfilm ist der Effekt umgekehrt: Wenn Fäuste oder Schwerter in Close-ups aufeinander prallen, kann man den Bewegungen selten folgen; aus einiger Distanz betrachtet wirkt das Geschehen wie eine harmonisch abgestimmte Choreografie. Sato Shinsukes „The Princess Blade“ verbindet beides: Mal wird einem vom Speed der Fights schwindelig, dann wieder sieht man im Slowmotion einer Panoramaeinstellung, wie Yuki (Shaku Yomiko) mit hubschrauberartig rotierenden Schwertklingen noch den Kugelhagel einer Pistole abwehrt, bevor sie zum finalen Cut an der Kehle ihres Gegners ansetzt. Schon nach dieser Eingangssequenz weiß man, dass die junge Frau, die einer seit Generationen geheim operierenden Killerorganisation angehört, zu Recht den Titel der „Princess Blade“ trägt.

Dass sie tatsächlich eine Prinzessin ist, die von ihrer Gang um den Posten des Anführers betrogen wurde, macht Shinsukes Epos bald zu einem Eastern ohne jeden Hoffnungsschimmer. Ganz wie im Italo-Western bleiben immer mehr Leichen auf Yukis Rachefeldzug am Wegesrand zurück. Zugleich ist das Japan, das der Film aus abgewrackten Betonwerken, kristallenen Seeufern und mondsüchtigen Zauberwäldern entwirft, unheilbar korrupt. Es gibt keine Ordnung mehr, der die Menschen vertrauen könnten. Sogar ein Underground-Netzwerk, das in einer parallel zum Thronfolgegemetzel angelegten Story für eine bessere Gesellschaft Bomben wirft, entpuppt sich als Terrorkommando, wo jeder jeden ermordet.

Für Shinsukes „Princess Blade“ diente ein Comic aus den Siebzigern als Vorlage. Manchmal gleiten die Bilder ineinander wie abstrakte Zeichnungen.

Manchmal sieht man aber nur, wie sich Gewalt und Tod auf der Leinwand vermischen, während der Schmerz, der all diese Verzweiflungstaten vorantreibt, im unbedingten Willen zur Action verloren geht. Deshalb fühlt man wenig mit: Dafür ist man einfach zu weit weg von der Wirklichkeit. Im Flugzeug wie im Kino. HARALD FRICKE

„The Princess Blade“. Regie: Sato Shinsuke. Japan 2001, 92 Min.

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