Satire muss und darf sein

Gegendarstellung, Unterlassung, Schmerzensgeld: Betroffene von Schmähkritik melden oft vielerlei Ansprüche an und stützen sich dabei auf Presse- und Persönlichkeitsrecht. Nicht immer mit Erfolg

Die Gegendarstellung ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit objektiver Wahrheit

von PETER SCHEIBE

Kaum jemand hat etwas gegen Satire – jedenfalls niemand, der nicht persönlich von ihr betroffen ist. Dann allerdings wird geklagt, was die Paragrafen hergeben. Zumal Gegenstand von Satire meist Prominente sind, die mit der Medienwelt und dem Kampf gegen deren tatsächliche oder vermeintliche Auswüchse besser vertraut sind als der Durchschnittsbürger.

Meist gewähren ihnen dabei auf Presse- und Persönlichkeitsrecht spezialisierte Kanzleien Schützenhilfe. Aus altruistischen Motiven geschieht dies freilich nicht, werden die Streitwerte solcher Verfahren von den Gerichten doch auf mindestens fünfstellige Summen festgesetzt und werfen entsprechend hohe Gebühren ab. Dankbarer als eine Mietrechtssache mit wenigen hundert Euro und sehr viel größerem Arbeitsaufwand sind sie allemal. Aber auch seitens der Betroffenen haben sich derartige Klagen seit etwa zehn Jahren zu einer Art Selbstläufer entwickelt, was zunehmend finanzielle Hintergründe hat und mit den immer höheren Schadensersatz- und Schmerzensgeldsummen zusammenhängt, die ihnen gelegentlich zugesprochen werden.

Während früher die Wiederherstellung der persönlichen Ehre im Vordergrund stand, werden Prozesse heute nicht selten als willkommener Zweitverdienst angestrengt – getreu dem Motto: „Famous for being famous“. Daher ist eine Verlagerung weg von der strafrechtlichen Verfolgung hin zur zivilrechtlichen Geltendmachung der Ansprüche zu beobachten.

Ein früher Höhepunkt dieser Entwicklung war Björn Engholms unfreiwillige Tauchpartie in Uwe Barschels Genfer Badewanne auf dem Titanic-Cover, dem besonders wegen der hinzugefügten Quietscheente von den Richtern Zynismus bescheinigt wurde. Engholm bekam 40.000 D-Mark Schmerzensgeld zugesprochen, die Gesamtkosten für die Titanic beliefen sich auf nahezu das Fünffache.

Gerade für konzernunabhängige Blätter – wie die Titanic, aber auch die taz – kann solch ein Prozess zum finanziellen Totengräber werden. Wie der potenziellen Kläger gibt es auch der möglichen Ansprüche viele. Neben Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch finden sich speziellere Regelungen vor allem in den – einander ähnlichen – Pressegesetzen der einzelnen Bundesländer. Meist handelt es sich um Gegendarstellungs- und Unterlassungsansprüche, für den Kläger günstigenfalls flankiert von Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen.

Eine abgedruckte Gegendarstellung bedeutet jedoch ebenso wenig die objektive Wahrheit wie der Artikel, auf den sie sich bezieht. Sie soll jedoch dem Betroffenen vor allem die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Gegendarstellungsfähig sind allein Tatsachenbehauptungen als objektiv beweisbare Zusammenhänge, nicht jedoch Werturteile, also subjektiv geprägte Meinungsäußerungen.

So einleuchtend diese Abgrenzung zu sein scheint, so sehr gleicht sie doch dem Streit, ob ein Glas Wasser nun halb voll oder halb leer ist. Die Grenze zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist fließend und nicht zuletzt vom jeweiligen Richter als einer weiteren variablen Größe dieses Glücksspiels abhängig. So wird in der Bezeichnung „Stasihelfer“ eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung gesehen, während der „Faschist“ eine Meinungsäußerung sein soll.

Ist es einer Redaktion schon von daher unmöglich, sich beruhigt in vermeintliche Werturteile zu flüchten, lauert an der anderen Meinungsgrenze die Gefahr der so genannten Schmähkritik mit dem persönlich motivierten Angriff als Gegenstand des Werturteils. Zwar wird auch hier auf verschiedene Kriterien abgestellt, insbesondere auf die Art der Publikation. So darf sich ein ausgewiesenes Satiremagazin natürlich am meisten erlauben. Doch hilft es auch nicht, eine Rubrik mit Glosse oder Satire zu überschreiben, da auch diese Tatsachenbehauptungen enthalten können. Außerdem birgt diese scheinbar sensible Einstellung der Rechtsprechung für ein Medium wie die taz mit der Seite „die wahrheit“ oder der „verboten“-Glosse die Gefahr, dass ein Gericht in einer normalerweise „witzlosen“ Tageszeitung Satire per se für ausgeschlossen hält.

Doch, man ahnt es bereits, auch hier kommt es darauf an, und zwar ebenfalls auf das Gericht. Während die Karlsruher Verfassungsrichter beim Tucholsky-Zitat: „Soldaten sind Mörder“ nicht zuletzt aufgrund dieser Provenienz eine Schmähkritik verneinten, ist diese bei der Klassifizierung einer Fernsehmoderatorin als „ausgemolkene Ziege“ gegeben.

Als Faustregel gilt: Je häufiger der einzelne Richter mit ähnlichen Fällen befasst ist, umso ausgewogener ist das Urteil. Oder, überspitzt formuliert: je höher die Instanz, desto größer die Gerechtigkeit.

Peter Scheibe, 29, Jurist, kümmert sich um das taz-Redaktionsmanagement