EUROPA DARF VERMITTLUNG IN NAHOST NICHT DEN USA ALLEIN ÜBERLASSEN
: Paartherapie für Scharon und Arafat

Die Europäische Union und die USA streiten sich über die richtige Nahostpolitik. Das ist wunderbar. Zumindest für den Nahen Osten. Denn die USA waren als einziger Vermittler überfordert, fühlten sie sich doch letztlich vor allem Israel gegenüber verantwortlich. Nun also positionieren sich auch die Europäer, fordern für die Palästinenser mehr Gehör. Damit gleicht das Setting ein wenig einer Paartherapie, die normalerweise auch von zwei Psychologen durchgeführt wird. Dass Vermittler nicht verhindern können, auch parteilich zu sein, wird dort einkalkuliert – deswegen soll jede der streitenden Parteien einen Anwalt in den Trennungs- oder Wiedervereinigungsgesprächen besitzen.

Und wie bei einer Pärchentherapie muss auch im Friedensprozess zunächst das Innenleben beider Konfliktparteien erforscht werden. Die USA haben das im Falle Israels bereits ausgiebig getan: Vier Mal in nur einem Jahr hat Präsident George W. Bush den israelischen Premier Ariel Scharon empfangen. Palästinenserführer Jassir Arafat aber traf er gar nicht. Kein Wunder, dass diese einseitigen Vermittlungsbemühungen von Therapeut Nummer 1 bisher scheitern mussten. Und genau hier schalten sich die Europäer – als Therapeut 2 – endlich ein. Damit durchbrechen sie den Versuch von Scharon, von den USA kaum gebremst, Arafat in die Bin-Laden-Ecke zu stellen.

Nun wird es freilich erst einmal Szenen glühender Eifersucht geben. Die Israelis werden den Europäern boshafte Vernachlässigung vorwerfen. Die USA, bei der Therapeutenehre gepackt, werden die Vorschläge der naseweisen Kollegen herunterspielen. Die Situation im Nahen Osten gibt den Europäern unterdessen reichlich Gelegenheit, sofort zu beweisen, wie ernst es ihnen mit ihrem Engagement ist. Als Erstes müssen sie umgehend die Beendigung des Hausarrests für Arafat fordern. Denn die konstante Demütigung des einen Partners hat noch keiner Paartherapie weitergeholfen. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich die Europäer durchsetzen könnten; eine Möglichkeit wäre, dass Außenminister Fischer Arafat nach Berlin einlädt – die Israelis würden ihn wohl fliegen lassen, der Hausarrest wäre durchbrochen.

Inzwischen haben einige EU-Therapeuten vorgeschlagen, das Setting noch weiter zu verändern und die Paartherapie zu einer Gruppentherapie mit allen Beteiligten auszuweiten – als Vorbild dient die internationale Friedenskonferenz von Madrid 1993. Die USA könnten sich einem solchen Vorstoß, die Zustimmung von Palästinensern und Israelis vorausgesetzt, nicht entziehen. Gut also, dass sich die USA und die EU in der Nahostpolitik uneins sind. Man sollte nie nur einem Vermittler trauen. YASSIN MUSHARBASH