Union stellt sich gegen Volksentscheide

Rot-grünes Vorhaben kann nicht auf die Mehrheit für eine Grundgesetzänderung zählen. Auch FDP hat Bedenken

BERLIN rtr/dpa/taz ■ Die Regierungskoalition kann bei ihrem Plan für Volksentscheide auf Bundesebene nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Bundestag rechnen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach lehnte das Vorhaben von SPD und Grünen ab. Nationale Volkentscheide würden dem föderalen Aufbau der Demokratie völlig widersprechen, sagte Bosbach der Neuen Osnabrücker Zeitung. Auch die FDP ließ Skepsis erkennen, die PDS signalisierte Zustimmung.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) forderte hingegen die Union auf, sich nicht vorschnell gegen Pläne für Volksentscheide auf Bundesebene zu stellen. Er halte Volksentscheide für sinnvoll, weil sie die Politik zwängen, sich verständlich und die Entscheidungen transparenter zu machen, sagte er der Saarbrücker Zeitung. Bosbach wandte ein, viele Probleme und Entscheidungen ließen sich nicht einfach auf ein Ja oder Nein reduzieren. Im parlamentarischen Verfahren seien Korrekturen am ursprünglichen Entwurf möglich. Dies sei bei einem Volksentscheid ausgeschlossen. Denkbar wäre aber die Einführung einer Massenpetition. Abgeordnete könnten so verpflichtet werden, ein Thema im Plenum öffentlich zu diskutieren.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Jörg van Essen, erklärte, seine Partei stehe Volksentscheiden im Bund reserviert gegenüber. Es sollten zunächst die Erfahrungen in Ländern und Kommunen abgewartet werden. Die PDS stimmte den Plänen von Rot-Grün dagegen zu. Volksentscheide dürften aber nicht durch überhöhte Quoren behindert werden, betonte PDS-Fraktionsvize Petra Pau.

Der Grünen-Abgeordnete Gerald Häfner sagte, das Gesetz könne noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden und im kommenden Jahr in Kraft treten. Da dafür das Grundgesetz geändert werden muss, ist im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit nötig. SPD und Grüne hatten sich am Freitag auf Eckpunkte für Volksentscheide verständigt, mit denen die Bürger Gesetze auf Bundesebene durchsetzen können.

Kritikern gilt das dreistufige Verfahren als zu umständlich und langwierig, um Bürgerbeteiligung auch im politischen Alltag zu ermöglichen. So soll der Bundestag zwischen der ersten und zweiten Stufe des Verfahrens acht Monate Zeit erhalten, sich mit dem jeweiligen Anliegen zu befassen. Erst wenn das Parlament den Vorschlag ablehnt, können fünf Prozent der Wahlberechtigten, also derzeit rund drei Millionen Menschen, mit einem Volksbegehren eine Abstimmung der Bevölkerung über das Gesetz einleiten.