Taliban-Minister gibt auf

Der ehemalige afghanische Außenminister Muttawakil stellt sich in Kandahar. Die USA erhoffen sich von ihm vor allem Angaben über das Fluchtverhalten Mullah Omars und Ussama Bin Ladens

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Mullah Abdul Wakil Muttawakil befindet sich im Gewahrsam der amerikanischen Truppen in Kandahar. Der letzte Außenminister der Taliban stellte sich am Donnerstag den Behörden der Stadt Kandahar, und diese übergaben ihn am Freitag den Truppen auf dem amerikanischen Militärstützpunkt außerhalb der Stadt. Muttawakil ist der bisher ranghöchste Taliban in den Händen der Anti-Terror-Koalition, und von ihm erwarten die Amerikaner Anhaltspunkte über die Verstecke von Mullah Omar und Ussama Bin Laden.

Nach Angaben von Gul Agha, dem Gouverneur von Kandahar, waren der Aufgabe Muttawakils Gespräche vorangegangen. Dies lässt vermuten, dass dieser bestimmte Bedingungen ausgehandelt hat. Agha schien jedenfalls eine Lanze für den als gemäßigt geltenden Taliban brechen zu wollen, als er sagte, Muttawakil erkenne die Regierung in Kabul an und unterstütze den laufenden politischen Prozess. Dagegen trat in Kabul Außenminister Abdullah Abdullah sofort und vehement dafür ein, Muttawakil als Kriegsverbrecher den Prozess zu machen. Die Taliban seien ein Teil des Problems und könnten deshalb nicht ein Teil der Lösung werden. Ihre politische Rolle sei ausgespielt. Gleichzeitig behauptete Abdullah, die Taliban seien bereits wieder dabei, sich neu zu organisieren, und nannte zwei Netzwerke, die sich in Pakistan gebildet hätten.

Die widersprüchlichen Töne aus Kandahar und Kabul zeigen nicht nur das politische Gefälle zwischen der Hauptstadt und den Regionen. Abdullahs uncharakteristisch scharfe Reaktion mag sich aus der Sorge der Interimsregierung erklären, dass im Hinblick auf die Bildung der „Großen Ratsversammlung“ im Juni gemäßigte Taliban wieder hoffähig werden könnten. Dies gilt gerade für Muttawakil.

Der 34-jährige Außenminister, einer der wenigen Taliban, die fließend Englisch sprachen, war seinem „Emir“ Mullah Omar zwar bedingungslos ergeben, ließ aber öfters eine eigene Meinung durchblicken. Muttawakil soll nach seinem Amtsantritt im Jahr 1999 den Amerikanern Verhandlungen über die Übergabe Bin Ladens – im Gegenzug zu einer Anerkennung des Taliban-Regimes – angeboten haben, und er machte kein Hehl aus seiner Ablehnung der Zerstörung der Buddhastatuen in Bamiyan.

Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten ist Muttawakil einer der ältesten Getreuen Mullah Omars, und gerade deshalb erhoffen sich die Amerikaner Auskünfte über das mögliche Fluchtverhalten des Taliban-Chefs – und von Bin Laden. Dass Muttawakil sich damit Vorteile erkaufen kann, ist angesichts der herrschenden Stimmung in Washington zumindest fraglich.