Milošević: Der Prozess

Morgen beginnt der Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen

BELGRAD ap/dpa/taz ■ Vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beginnt morgen der Prozess gegen den früheren juogoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević. Er ist wegen Völkermords im Bosnienkrieg 1992–1995 und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Kroatien 1991–1992 und im Kosovo 1999 angeklagt. Milošević lehnt das Gericht als illegal ab, bezeichnet die Anklage als Verschwörung des Westens. Er lehnt es ab, einen Strafverteidiger zu benennen.

Am Wochenende demonstrierten in Belgrad mehr als 8.000 Milošević-Anhänger für dessen Freilassung. „Freiheit für Slobodan! Freiheit für Serbien!“, riefen die Teilnehmer. Ehemalige Regierungsmitglieder warfen während der Kundgebung in Reden dem Haager Tribunal vor, Handlanger des Westens zu sein.

Die Chefanklägerin des internationalen Tribunals, Carla Del Ponte, wies Vorwürfe serbischer Politiker zurück, der Prozess sei ein Racheakt der internationalen Staatengemeinschaft. „In diesem Prozess geht es nicht um Rache und auch nicht um Kollektivschuld“, sagte sie der Welt am Sonntag. „Es geht um die persönliche Verantwortung von Milošević.“ Niemand dürfe über dem Gesetz stehen. Sie verspreche sich von dem Prozess die Signalwirkung, dass jeder für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden könne.

In Bosnien und dem Kosovo sieht man dem Prozess mit großen Erwartungen, aber auch gemischten Gefühlen entgegen. Die bosnischen Muslime erhoffen sich „die Wahrheit“ über den Bosnienkrieg und die Schuld der Belgrader Führung daran. Für viele bosnische Serben ist Milošević ein Verräter, der im Friedensabkommen von Dayton ihre Interessen geopfert habe. Im Kosovo sehen manche Mitglieder der ehemaligen „Befreiungsarmee“ UÇK das Haager Tribunal ganz ähnlich wie Milošević als „politische Institution“ und nicht als unabhängiges Gericht. Sie haben nämlich selbst Anklagen zu befürchten.

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