Dem Wind alles erzählen

■ Zwischen Schmock-, Schmuserock und Country: Jewel im Schauspielhaus

Das klingt fast wie ein Märchen. Wie ein Rock'n'Roll-Märchen. Kleines Mädchen wächst mit zwei Brüdern in Alaska bei Hobbymusiker-Eltern auf. Mit sechs Jahren klettert sie zu den Eltern auf die Bühne und jodelt – dank ferner Verwandter in der Schweiz – und singt. Nachdem sich die Eltern getrennt haben, bleibt das Mädchen beim Vater und beginnt, seine Gedanken aufzuschreiben. Mit 14 lernt sie eine andere amerikanische Familie kennen, die ihr hilft, sich zu artikulieren: „So stieg ich auf einen Berg und versuchte, dem Wind alles, was mir auf dem Herzen lag, zu erzählen.“

Zwischendurch verbringt das junge Mädchen Zeit mit ihrer Mutter in San Diego, und ihre erste Midlife-Crisis hat sie mit 18. Daraufhin ziehen die beiden nach Kalifornien, jobben in Cafés, leben eine Zeit lang im Auto, spielen Konzerte und essen Karotten und Erdnussbutter. Und eines guten Tages steht plötzlich der Vertreter einer Major-Plattenfirma im Publikum und signt die junge Frau vom Fleck weg. Ihr Debut-Album Pieces of You erklimmt die Charts auf Anhieb und „Who Will Save Your Soul“ wird ein echter Smash-Hit. Die Sängerin tourt 40 Städte in 30 Tagen, spielt manchmal vier Konzerte an einem Tag und genießt jede Minute.

Normalerweise wäre es jetzt Zeit für eine blöde Moral wie: „Und heute spielt sie in drittklassigen Clubs, kürzlich grub man noch ein paar schlechte Nacktfotos aus.“ Aber Jewel Kilcher, wie die inzwischen 26-jährige Künstlerin heißt, ist hart wie Holz und voller Pläne: „Eigentlich wollte ich das mit dem Berühmtwerden langsam angehen lassen. Als ich 19 war, lernte ich ja noch, wie man Songs schreibt. Und ich weiß, dass hartes Holz langsam wächst, und wenn ich eine lange Karriere wie Neil Young wollte, musste ich einfach dranbleiben.“

Neil Young und Bob Dylan, mit denen sie auch schon live spielen durfte, sind ihre Lieblingsmusiker, ebenso wie Paul Simon und Ricky Lee Jones. Und nachdem sie sich ein paar Jährchen Pause gegönnt hat, ist sie jetzt mit This Way wieder da, einer schick aufgemachten Platte mit tollen Fotos von Ellen von Unwerth. Zu hören sind da zwischen ehrlich-erdigem Schmock-, leichtem Schmuserock und Country angesiedelte Songs, die die Welt nicht verändern, aber schöner machen wollen und irgendwie vertraut klingen.

Das ist kein Wunder, denn Jewels Stimme klingt wie eine Mischung aus Melissa Etheridge, Heather Nova und Juliana Hatfield, aber mit mehr Hang zum Drama und mehr Tremolo. Ihre selbst geschriebenen Songs handeln von Gott und der Liebe und mit „Do You Want to Play“ und dem Titelsong sind auch ein paar Hitkandidaten dabei. Heute tritt Jewel, die nebenbei noch eine Stiftung für sauberes Trinkwasser ins Leben gerufen (www.clearwaterproject.org) und bereits eine Hand voll Gedichtbände veröffentlicht hat, im passenden Ambiente, nämlich im plüschigen Schauspielhaus auf.

Barbara Schulz

 heute, 21 Uhr, Schauspielhaus