Da greift das Sozialamt der Braut in die Börse

„Rechtlich einwandfrei, aber menschlich …?“ Nach der Hochzeit muss eine Romni die Geldgeschenke ihrer Verwandtschaft an die Behörde abtreten

SAALFELD taz ■ Zweimal hatte Maria (Name geändert), die aus dem Kosovo stammende Romatochter, einen Bräutigam schon abgelehnt, und beinahe wäre auch die dritte Hochzeitsverhandlung gescheitert. Solche Verhandlungen sind Brauch in ihrer Heimat, und wer mehr als 20 Jahre zählt, hat es schwer. Im vorigen Herbst war es im thüringischen Saalfeld endlich so weit. Mit einem in Nordrhein-Westfalen lebenden Rom wurde das erste der beiden üblichen Hochzeitsfeste gefeiert. Die zahllose Verwandtschaft legte nach guter Sitte zusammen und stiftete einen schwarzen Samtbeutel wertvollen Inhalts.

Marias neunzehnjähriger Bruder nahm im Laufe der Feier den Geschenkbeutel an sich. Das Schicksal schlug noch in derselben Nacht in Gestalt einer polizeilichen Routinekontrolle zu. Der Bruder wurde am Bahnhof aufgegriffen, als er die Schwiegereltern abholte. Im schwarzen Samtbeutel fanden die Beamten die erstaunliche Summe von rund 47.000 Mark. Das Geld verschwand bei der Polizei. Die Staatsanwaltschaft Gera ermittelte wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Dieses Verfahren wurde zwar am 28. Januar nach Prüfung der einzelnen Spender eingestellt. Der Beutel aber ging leer an die Familie zurück. Das Sozialamt des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt hatte vorsorglich bereits im Oktober einen „Erstattungsanspruch“ gestellt.

Seit rund zehn Jahren erhalten die Asylbewerber, die lange vor dem Kosovokrieg nach Deutschland kamen, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wie bei deutschen Sozialhilfeempfängern auch, müssen Vermögenswerte für den Lebensunterhalt herangezogen werden. „Der Besitz einer solchen Summe Bargeld ist grundsätzlich unangemessen für den Personenkreis der Leistungsberechtigten“, heißt es im Schreiben des Landkreises. Es äußert außerdem Misstrauen gegen den Bruder der Braut und unterstellt ihm die Unterschlagung weiterer Einkünfte. Das Geld bleibt also vorerst auf dem Staatskonto. Daran bestünde ein „dringendes öffentliches Interesse“, schreibt die zuständige Referatsleiterin. Von einer Anhörung könne man absehen.

Thüringens Ausländerbeauftragter Eckehard Peters sieht darin zwar einen „menschlich nicht einfach zu verstehenden Vorgang“. Rechtlich aber sei in diesem Fall nichts zu beanstanden. Pfarrer Jo Winter betreut mit seiner seit 1984 aktiven Friedensgruppe „Gewaltlos leben“ auch diese neunköpfige Familie. Auch ihm ist es bisher nicht gelungen, den Roma eine Arbeitserlaubnis zu verschaffen, die sie als Voraussetzung für ein Einbürgerungsverfahren brauchen. Im Gegenteil: Drei Familienmitgliedern drohen in einem Ermittlungsverfahren wegen illegaler Hilfe bei der Erdbeerernte im vorigen Sommer 10.000 Mark Geldbuße.

Im Sozialamt des Landkreises verweist man auf die noch laufende einmonatige Widerspruchsfrist gegen den Einzug der Brautgabe. Bislang sei noch nichts eingegangen. Vielleicht hilft ein Schreiben, mit dem die Spender nun ihre Geschenksumme zurückfordern wollen, da sie zweckentfremdet eingesetzt werde. MICHAEL BARTSCH