Draufgehauen
: Warten statt testen

■ Richter sauer: Polizei lässt zwei Verdächtige in U-Haft schmoren

Dass ein Richter der Polizei auf die Finger haut, und das auch noch öffentlich, ist selten. Ges-tern ist es passiert: „Möglicherweise sehr schnell“ könnten im Marßeler Mordfall „Zweifel an der Täterschaft der festgenommenen Personen“ aufgekärt werden, so Christian Zorn, zuständiger Richter am Amtsgericht Blu-menthal. Wenn die Polizei endlich die von ihm angeregte Blutgruppenuntersuchung machen würde. „Stattdessen“, beschwert sich Zorn in einer Pressemitteilung, „wartet man aber auf das Ergebnis der DNA-Untersuchung, die sich über mehrere Tage hinziehen soll.“ Und behält die Verdächtigen lieber in Haft, anstatt einen Beweis ihrer Unschuld zu versuchen.

Darum geht's: Am Samstag wurde im Marßeler Feld im Bremer Norden ein 33-jähriger Mann gefunden, getötet durch zwei Messerstiche in den Hals. Kurz darauf nahm die Polizei zwei Männer fest. Sie hätten den Toten besuchen wollen, erklärten sie. Da war er aber schon tot. Die Männer waren „stockbesoffen“, so Richter Zorn, und sie hatten Blut an ihrer Kleidung. Ergo waren sie erstmal verdächtig, und Richter Zorn hat einen Haftbefehl erlassen. Gestern früh dann schlägt er die „Norddeutsche Zeitung“ auf und liest: „Mord in Marßel: Keine heiße Spur“. Weiter liest der Richter, die Polizei stufe die beiden Männer nicht mehr als „unmittelbar Tatverdächtige“ ein.

„Wie erkläre ich kleines Richterlein mir diese Meldung?“, fragt Zorn und klingt zornig: Wenn kein dringender Tatverdacht bestehe, gebe es auch keinen Grund für U-Haft. Ein Blutgruppentest würde nun zumindest klären, ob das Blut auf der Kleidung der Verdächtigen zur selben Gruppe wie das des Opfers gehört. Wenn nicht, kann es nicht vom Opfer stammen, ein wesentliches Verdachtsmoment fiele also weg.

Doch statt einen solchen schnellen Negativ-Tests zu machen, besteht die Polizei darauf, den DNA-Tests abzuwarten, der zugleich über die Identität von Opfer- und Klamottenblut Auskunft gibt. Von der aber, wie hinter vorgehaltener Hand geredet wird, eher nicht auszugehen sei: Die zwei Tatverdächtigen waren stark alkoholisiert, für die Tat aber war Präzision nötig, kaum zu schaffen mit drei Promille im Blut – soviel hatten die zwei Männer intus.

Während Richter Zorn in Blumenthal sich aufregt, kann die Polizei kein Fehlverhalten erkennen. Blutgruppentests, so Polizeisprecher Frank Kunze, seien längst nicht mehr üblich, weil sie nicht „gerichtsfest“ seien – man mache immer direkt den DNA-Test. Außerdem gebe es im Marßeler Fall nicht nur das Blut auf der Kleidung, sondern die äußerst widersprüchlichen Aussagen der Verdächtigen, die aus ihrer Sicht den nach wie vor bestehenden Tatverdacht begründeten.

Richter Christian Zorn sieht das anders: „Der Tatverdacht stützt sich wesentlich darauf, dass beide Personen Blut an der Kleidung hatten.“ Ob gerichtsfest oder nicht – „der Punkt ist doch, dass es da etwas gibt, dass sehr viel schneller als der DNA-Test ist“, so Zorn.

Die Polizei bleibt bei ihrer Position. Warum die „Norddeutsche Zeitung“ etwas anderes schreibt, könne man sich auch nicht erklären, vielleicht ein Missverständnis. Kein bisschen, erklärt „Norddeutsche“-Redakteur Hans-Hermann Boeken und beruft sich auf seine Quellen.

Das Ergebnis des DNA-Tests soll in zwei bis drei Tagen vorliegen. sgi