Schöner loungen

■ Der Ausgeher (8) erlebt fast einen schönen Abend in der „Crackle Lounge“

Halb eins in der Crackle Lounge. Stehe seit einer Stunde zwischen schönen und teilweise auffällig bebrillten Loungern herum und warte auf das Leben. Vielleicht kommt es ja noch vorbei? Flezt sich auf eines der hiesigen Sofas, winkt mir zu und lässt einen buntgemixten Cocktail springen.

Ganz nett hier. Wie üblich um halb eins könnte man zwar genauso gut nach Hause gehen, das bereitete einem jungen Leben schon kein vorzeitiges Ende. Doch bleibe ich erstmal da. Optimale Situation für eine kleine Auseinandersetzung mit dem Selbst, ungestört durch die Heiterkeit der Kontaktgruppe.

Das Surrounding ist ideal für entspanntes Abhängen: Zwei DJanes schaben unaufdringliche Minimal-Elektro-Klänge aus den Plattenrillen, an die Wände geworfene Projektionen von Werbespots aus den frühen Neunzigern wecken Erinnerung an Werbung-Rate-Kämpfe mit den Geschwistern. Wenn hier nicht Lounge-Time ist, beherbergt der Raum ein Internet-Café.

Die allgemeine Bewegungshemmnis, die sich in lässigem Rumsitzen und noch lässigerem Rumstehen ausdrückt, überträgt sich, macht angenehm träge. Tanzen und Schwitzen tut man hier nämlich nicht. Eher Small-Talk halten, an den Rechnern E-Mails checken oder vorglühen für die anschließende Party woanders.

Bevor mir hier die Haltung vor lauter Entspannung abgeht, wird erstmal innerlich das Äußere gecheckt, und Bauch-rein-Brust-raus gemacht. Dazu gelangweilte Miene, bei aller Lässigkeit will man ja noch Eindruck schinden auf die schönen und teilweise auffällig bebrillten Lounger. Die rumstehen und über so Sachen reden, wahlweise zu zweit oder dritt. Allein ist hier außer mir wirklich niemand, abgesehen von den Surfern durchs virtuelle Durcheinander.

So trendy wie man vorher meinen möchte, sind die gar nicht hier. Understatement scheint ihnen auf die Stirn geschrieben zu sein, die macht sich eben auch im Klamotten-Style bemerkbar. Schlicht-Sportiv kommt zwar aus dem Quelle-Katalog, ist aber trotzdem das richtige Wort. Aufbrezeln war gestern. Zumindest wurde heute Abend so aufgebrezelt, dass niemand den Aufwand bemerkt. Meine blaue No-Name-Jeans und Rollkragenpulli beschämen mich trotzdem.

„Hi! Was machst du denn hier?“ Oha. Das Leben kommt schneller vorbei als erwartet, besser gesagt: bricht herein mit fiesen Gedanken an Herschmerz und Komplexe. Die große Liebe ist es, natürlich in Begleitung einer kleinen schönen Frau. Hatte ich den nicht dort hingeschickt, wo der Pfeffer wächst? Bremen ist so klein, man trifft ja immer, wen man am allerwenigsten sehen will. „Ich .. äh ... amüsiere mich, sieht man doch“, sage ich da. „Ganz allein?“. „Joa, ganz allein. Das braucht man ab und zu.“ Dass die Freunde heute nicht ausgehfreudig waren, wird geflissentlich verschwiegen. Ich und einsam, lächerlich.

Ich gehe Richtung schwarzer Ledercouch, wo glücklicherweise was frei geworden ist. Könnte alles so einfach sein, ein angenehmer Abend in trauter Einsamkeit. Man könnte sich konzentriert von den hiesigen Szenegängern abgucken, was man denn so macht in einer Lounge außer auf Sofas sitzen. Und sich fühlen wie in Berlin, wo sich bestimmt eine Lounge an die nächste reiht, vorausgesetzt, Lounges sind in Berlin noch angesagt.

Der Abend ist mal gründlich im Arsch, da helfen auch Martini und lustige Werbung von Always-Ultra-Flexi-Flügeln nichts. Die Lounger hier finde ich allmählich doof, da können die noch so interessant aussehen. Dabei ist das doch so ein cooler Schuppen ist. Sorry, aber schönes Loungen geht wohl doch nur in Begleitung. Stelle mir zur überdimensionalen Limonaden-Werbung an der Wand vor, wie eine Stimme mir „Hey, komm' doch rüber in die Punica-Oase!“ zuruft. Vielleicht gehe ich jetzt erst mal in die heimische Bett-Oase, auch wenn im Bett die meisten Leute sterben, wie meine Mutter immer sagt.