Das Straßenbild
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Die Reklamerezension. Heute: direkt vor der taz-Haustür, Berlin, Kochstraße

Alles im Leben ist ja immer eine Frage der Auslegung. Sind – um nur ein Beispiel zu nennen – Filme, in denen Frauen nur als flotte Dummchen gezeigt werden, nun frauenfeindlich oder fallen sie nicht doch auch auf die den Film herstellenden Männer zurück, wirken also eigentlich durchaus auch männerfeindlich? Gleiches, nur umgekehrt, gilt natürlich auch für Filme, in denen Männer nur als „fiese Möpp“ gezeigt werden. Wenn Klischees zu offensichtlich Klischees sind, werden sie entweder (im positiven Fall) zu Kitsch oder (im anderen Fall) lächerlich.

Wie steht es diesbezüglich mit der aktuellen Werbung für „Lucky strike“-Zigaretten? Gewohnt minimalistisch verlassen sich die Werber hier auf die Optik der „Lucky strike“-Schachtel und einen kurzen, prägnanten Spruch: „Männer können doch treu sein.“ Die gedachte Betonung liegt auf „doch“. Männer können doch treu sein. Entgegen anderslautenden Behauptungen.

Eine schöne, eine beruhigende Botschaft für alle, die Wert auf männliche Treue legen. Also vor allem wohl für (heterosexuelle) Frauen. Wenn, ja wenn die sexuelle Treue gemeint wäre, auf die hier tatsächlich nur angespielt wird. Die „Lucky strike“-Schachtel unter dem Werbespruch soll natürlich signalisieren: Oh ja, höhöhö, Männer können durchaus treu sein, wenn es um Rauchwaren geht – und zwar ganz im Widerspruch zu ihrer kreatürlich-natürlichen Disposition zur (sexuellen) Untreue. Eigentlich nämlich verhalten sie sich wie die Karnickel.

Wer soll hier erreicht werden? Menschen beiderlei Geschlechts, die sich von der geradezu übernatürlichen, zur Produkttreue zwingenden Qualität der Luckys überzeugen sollen? Oder doch nur Männer mit Sinn für abgestandenen Altherrenwitz?

Eine kleine spontane Umfrage in der Raucherstadt Berlin (Rauchen wird hier als oberste Bürgerpflicht angesehen) ergab folgendes Urteil: Jeder kennt die schön gestalteten und meist recht originellen schwarz-weiß-grauen Plakate mit „Lucky strike“-Werbung, aber niemand kennt hier irgend jemanden, der „Lucky strike“ raucht. In diesem Desinteresse sind sie sich alle treu. Es sei denn, er oder sie hat die Zigaretten in einem Kinofoyer, einer Kneipe oder Lounge von „Lucky“-AnimateurInnen geschenkt bekommen. Denn für lau raucht der Berliner und die Berlinerin alles. Wie die Karnickel.

REINHARD KRAUSE