Ins Schwarze getroffen

Junge Hamburgerin von Polizisten am Bahnhof Altona misshandelt: Mehrere Zeugen bestätigen den Vorfall, DIE ermittelt  ■ Von Marco Carini

Die junge Frau hat keine Chance. Bevor sie etwas erklären kann, packt sie der Beamte und reißt sie zu Boden. Die Tatzeit: Voriger Mittwoch, kurz nach 13 Uhr. Der Tatort: Die Max-Brauer-Allee, direkt gegenüber vom Altonaer Bahnhof. Mehrere Dutzend Zeugen beobachten das Geschehen. Die Folge: Die 1,54 Meter kleine und 49 kg leichte Asha H. sieht einer Anzeige wegen Widerstand und Körperverletzung entgegen.

Ein Taxifahrer hatte die Polizei verständigt. Eine Freundin von H. sei ihm die Fahrtkosten – rund 29 Euro – schuldig geblieben. Da das Kartenlesegerät des Taxis nicht funktioniert hatte, wollte diese Geld bei einer nahe gelegenen Sparkasse abheben. Ihre einjährige Tochter lässt sie in der Obhut von Asha H. zurück. Doch nach mehr als einer halben Stunde ist die Freundin nicht zurückgekehrt. Was weder der Taxifahrer noch Asha H. zu diesem Zeitpunkt wissen: Sie hat sich den Fuß verstaucht und befindet sich bereits in einem Krankenwagen.

Als sich auch Asha H. entfernen will, um ihren dreijährigen Sohn vom Kindergarten abzuholen, alarmiert dieser die Polizei. Kaum eine Minute später ist der Streifenwagen vor Ort. Was dann geschieht, schildert Asha H. so: „Der Beamte forderte mich auf, zum Streifenwagen zu kommen. Ich fragte nach dem Grund, da packte er mich am Arm und riss mich vom Kinderwagen weg. Dann habe ich im Reflex einmal in seine Richtung getreten.“ Das hätte sie nicht tun sollen: „Er schleuderte mich zu Boden und drückte sein Knie auf meinen Hals. Mein Gesicht wurde auf den nassen Bürgersteig gepresst, der Arm im Rücken schmerzhaft verdreht“, berichtet Asha H. Sie ringt nach Luft und schreit vor Schmerz. Mehrere Dutzend Passanten werden Zeugen des Vorfalls. Einige schreien den Polizisten an, er solle die Frau in Ruhe lassen. Erfolglos.

Der Beamte habe sie, sagt Asha H., „dann brutal hochgerissen, mich auf die Motorhaube geworfen und meine Hände im Rücken mit Handschellen fixiert. Die haben sich in mein Fleisch so eingeschnitten, dass ich vor Schmerz schrie.“

Asha H. wird zur nahen Wache Moerkenstraße gebracht. „Dort wurde ich von einer Beamtin aufgefordert, mich zu entkleiden. Eine Begründung dafür blieb sie mir schuldig. Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich zu weigern. Dann wurde ich unbekleidet in eine Zelle gesperrt.“ Sie darf nicht einmal im Kindergarten anrufen, um die ErzieherInnen darüber zu informieren, dass sie ihren Sohn nicht abholen kann. Über zwei Stunden bleibt Asha H. eingesperrt, bevor sie die Wache endlich verlassen kann. Seit dem Einsatz ist Asha H. wegen Schulterschmerzen, zahlreichen Prellungen und Schwellungen in ärztlicher Behandlung.

Inzwischen hat die 20-Jährige Anzeige beim „Dezernat Interne Ermittlungen“ (DIE) gestellt. Ihr Glück im Unglück: Bevor sie abtransportiert wurde, steckten ihr mehrere Passanten Zettel mit ihren Namen und Telefonnummern zu. So konnte die Misshandelte der DIE fünf Zeugen präsentieren, die den Vorfall beobachtet haben.

Weder Polizei noch Innenbehörde wollten am Wochenende Stellung zu dem Vorfall nehmen, da es sich um ein „schwebendes Verfahren“ handele. Als Innenbehörden-Sprecher Hartmut Kapp von der taz zu dem Vorfall befragt wurde, stellte er nur eine Frage: „Handelt es sich bei der Frau um eine Schwarze?“ Der Mann liegt nicht ganz falsch: Der Vater von Asha H., die sich selbst als „Afro-Deutsche“ bezeichnet, ist Ghanaer, die Mutter Deutsche. Nicht auszuschließen, dass Kapp mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen hat.

Weitere Zeugen des Vorfalls melden sich bitte bei der taz hamburgunter 040 / 38 90 17 29.