Was Springers Welt zusammenhält

Die blaue „Welt“ und die grüne „Morgenpost“ füllen sich gegenseitig die Seiten. Gekürzt wird immer von hinten: Nachrichten, Reportagen, Interviews. Gekürzt wird jetzt auch beim Personal: 110 Mitarbeiter müssen gehen, davon 90 von der „Mopo“

von MARKUS MÜNCH

Seit feststeht, dass die Redaktionen der beiden Springer-Blätter Die Welt und Berliner Morgenpost zusammengelegt werden, bangen vor allem Morgenpost-Mitarbeiter um ihren Job. Ungefähr 90 von ihnen sollen gehen – so viel steht inzwischen fest. Bei der Welt sollen 20 Stellen abgebaut werden, die defizitäre überregionale Zeitung soll im neuen Zweierteam die Führungsrolle übernehmen. Nach Springer-Diktion beliefert momentan „ein gemeinsames Kompetenz-Zentrum zwei Marken“.

Schon seit Monaten schreiben Autoren der im Regionalen verwurzelten Mopo den Großteil der Texte für die Berlin-Redaktion der Welt. In der täglichen Konferenz fordern Welt-Redakteure die für sie interessanten Stücke an; eigene Autoren gibt es kaum. Größtes Hindernis bei der Kooperation war bisher, dass die blaue Welt und die grüne Morgenpost unterschiedliche, nicht kompatible Redaktionssysteme haben. Die Textlieferung erfolgte per Mail. Erst seit kurzem läuft die Übermittlung direkt. Der Austausch von Texten ist unbeschränkt, doch bleiben der Morgenpost vorerst ein eigener Kultur- und Sportteil. Für alle anderen Ressorts gibt meist die Welt auf ihrer Redaktionskonferenz die Themen vor. Gemeinsam beraten wird nicht, die Redaktionen sind nach wie vor organisatorisch und räumlich getrennt.

In den beiden Zeitungen ist das mal mehr, mal weniger deutlich sichtbar. Ereignisse mit hoher Relevanz für Berlin prägen besonders die jeweilige Ausgabe der Mopo: Der Berlinale-Start oder die Beisetzung von Hildegard Knef haben nur wenig Platz für große Welt-Themen gelassen. An anderen Tagen gleichen sich die Blätter stark, obwohl man manchmal sehr genau hinsehen muss, um die Gemeinsamkeiten zu entdecken. Denn wenn aus einem Text zwei Versionen werden, kann sich viel ändern: Layout, Überschrift, Länge und Autorenzeile. Gern benutzt die Welt zum Beispiel ihr Hauskürzel „DW“, auch wenn der Text aus der Mopo stammt und dort mit Autorennamen gekennzeichnet ist.

Ein Text, zwei Versionen

Vielen Geschichten widerfährt ein sehr alltägliches Schicksal: die Kürzung. Wer bei wem mehr kürzt, ist schwer zu sagen, aber in beiden Redaktion gilt offenbar: „Gekürzt wird von hinten.“ Ein Grundsatz, der bei Agentur- und Nachrichtentexten funktioniert, weil diese darauf hin geschrieben sind. Merkwürdig wird es jedoch bei fast allen anderen Textformen, und manchmal könnte man dahinter mehr vermuten: Eine Reportage über Edmund Stoibers Aschermittwochsauftritt endet in der Morgenpost pointiert mit „Und ein Kreuz soll auch wieder im Kanzleramt hängen, wenn er regiert.“ In der Welt gab es mehr Platz: „Die Menge verlangt ‚Zugabe, Zugabe‘. Die soll es aber erst nächstes Jahr geben, ‚wenn in Passau zum ersten Mal ein deutscher Bundeskanzler spricht.‘ “

Auch Interviews gibt es oft in zwei Versionen. Nach welchen Kriterien Jürgen Rüttgers in der Welt weniger Platz bekommt als in der Morgenpost, ist nicht ganz deutlich. Sparwille kann es kaum sein, denn im Politikteil beschäftigt die Welt mehr eigene Autoren, während die Mopo ohnehin stärker auf Agenturen zurückgreift – auch bei Themen, die in ähnlicher Größe von einem Welt-Redakteur bearbeitet wurden.

Meist ist in der Welt mehr Platz. So hat das blaue Blatt nicht nur ein zusätzliches Buch „Finanzen“, sondern auch einen ganz eigenen Teil für die Wirtschaft. Die der Morgenpost teilt sich ein Buch mit dem Sport.

Die Abschussliste

Ihre Wirtschaftsthemen finden sich zum Teil im entsprechenden Welt-Ressort wieder, ein Aufmacher kann aber auch mal auf Seite 2 des Welt-Berlinteils recycelt werden – kein Wunder, dass das Wirtschaftsressort der Mopo ganz oben auf der Abschussliste steht. Noch in dieser Woche wird es als Erstes mit den Springer-Sparplänen konfrontiert, danach ist der Sport dran.

Wie Springer die insgesamt 110 Redakteure loswerden will, ist noch ungewiss. Wer sich nicht mit einer Abfindung „freiwillig“ verabschiedet, kann nur betriebsbedingt gekündigt werden. Doch sind die Chancen gut, vor Gericht seinen Arbeitsplatz wieder zurückzubekommen. Neben ihren Stellen bangen die Mopo-Leute jedoch auch um ihre Stellung innerhalb des „Kompetenzzentrums“. Sie befürchten, dass bei der Neuorganisation der Ressorts Welt-Mitarbeiter die Chefsessel besetzen. Man könnte meinen, die Mopo hätte rote Zahlen geschrieben – und nicht die Welt.