„Wir müssen den Polizeiaufbau vorantreiben“

Außenminister Joschka Fischer über die Schwierigkeiten und möglichen neuen Aufgaben der Internationalen Schutztruppe in Kabul

taz: Ist die Ermordung des afghanischen Luftfahrtministers auf dem Flughafen von Kabul ein Rückschlag für die UNO-Schutztruppe IsafJoschka Fischer: Ich denke die Situation ist sehr kompliziert und schwierig. Das war auch zu erwarten. Der gesamte Übergangsprozess wird alles andere als einfach. Insofern bedarf es einer langfristigen Verpflichtung der internationalen Staatengemeinschaft. Die Hauptaufgabe wird dabei der Aufbau der zivilen Institutionen und der Herstellung der Ordnungsfähigkeit der afghanischen Regierung. Der Vorfall am Flughafen wird gewiss nicht die letzte Klippe sein, die aufgetaucht ist in diesem Prozess, aber ich sehe dazu keine ernsthafte Alternative.

Aber Isaf hat sich ausdrücklich auf Kabul beschränkt und darauf verzichtet, in Afghanistan in der Fläche präsent zu sein. Wenn es Isaf nun nicht einmal gelingt, in der Hauptstadt einen Minister der Regierung Karsai zu schützen, was kann die Schutztruppe dann überhaupt leisten?

Ich kenne die näheren Umstände nicht. Da findet eine Untersuchung statt, und ich möchte das jetzt nicht bewerten. Aber die internationalen Truppen dort haben ihre Ordnungsfunktion bereits bewiesen, auch bei den Auseinandersetzungen während des Fußballspiels vom Freitag und in den Wochen davor. Die Frage ist eine Frage an den Sicherheitsrat. Isaf hat ein Mandat des Sicherheitsrates und alle Fragen werden im Sicherheitsrat entschieden. Der UNO-Generalsekretär hat mit den Ständigen Mitgliedern und einigen anderen – auch mit uns – die Gespräche darüber aufgenommen. Das sind alles andere als einfache Gespräche. Am Ende wird man über Konsequenzen entscheiden.

Welche?

Dem möchte ich nicht vorgreifen.

Ist eine militärische Formation wie Isaf überhaupt geeignet für Polizeiaufgaben wie den Personenschutz?

Deutschland hat sich engagiert beim Aufbau der Polizei in Afghanistan, aber das wird seine Zeit dauern. Im Übrigen haben wir ja auch auf dem Balkan die Erfahrung gemacht, dass in dieser Übergangszeit eine internationale Friedenstruppe eine sehr wichtige Funktion hat. Dazu gibt es keine Alternative. Aber wir müssen den Polizeiaufbau vorantreiben.

Ein Minister ermordet, zwei Bundeswehrsoldaten bei Randale während eines Fußballspiels verletzt, sieben britische Soldaten beschossen – ist der Einsatz in Kabul weit gefährlicher, als das in Deutschland bisher wahrgenommen wurde?

Wir gingen immer davon aus, dass dies gerade in der Anfangsphase ein sehr schwieriger Einsatz wird. Das galt übrigens auch für die Balkaneinsätze. Entsprechend sind die Soldaten vorbereitet. INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ