Vom Bild aus denken und filmen

Filmemacher, bildender Künstler, Schauspieler, Publizist, Kameramann, Lehrer und Autor: Das Metropolis zeigt neue und alte Filme von Heinz Emigholz  ■ Von Dietrich Kuhlbrodt

Vom 22. Februar an ist Heinz Emigholz angesagt. Für zwei Wochen, und zwar komplett. Neben einer umfassenden Retrospektive werden nun auch erstmalig seine beiden Architektenfilme aufgeführt: Sullivans Banken und Maillarts Brücken – beide im Jahr 2000 fertig gestellt. Was da konstruiert und gebaut wurde, liegt zwar um die achtzig Jahre zurück. Doch so, wie sich Emigholz den Bauten nähert, werden an ihnen in seinen Filmen aktuelle Denkstrukturen bloßgelegt, völlig unbeschädigt von dem, was die zuständigen Denk- und Kunstmedien verfügt haben.

Emigholz denkt, filmt, schreibt und spielt vom Bild aus. Und das wahrt menschliche Maße. Auf seinen Grafiken finden sich stets scharf umrissene, detailgetreu gezeichnete Menschen, die in Schraffuren und mehr oder minder gewalttätigen Fremdobjekten gefangen sind. Die missliche Lage ist nicht ohne Witz. Und darum weiß man, dass es einen Weg geben muss, um da raus zu kommen. Wie aus einem Rebus. Ich kann mir solch eine Zeichnung lange und immer wieder ansehen. Es gibt einen Ausweg. Aber welchen? Ins Jenseits? Emigholz hat für die Architektenfilme fünf bis acht Jahre gebraucht.

Angefangen zu filmen hat Emigholz 1968 in Hamburg, unvereinnahmt von dem, was damals zu denken, zu sagen, zu tun angesagt war. Wer autark ist, altert nicht. Zeitgeist hin oder her: Emigholz ist sein eigener Geist. Deshalb passt auch in der Retrospektive alles alterslos zusammen. Inzwischen ist er Professor an der Akademie der Künste in Berlin; am stärksten war er allerdings als Schüler. Das hat er selbst gesagt: „Ich bin ins Kino gegangen seit ich sechs war, und als ich vierzehn war, konnte ich Filme am besten begreifen. Danach wurde es immer schlechter.“

Wie kommt man vom Sehen zum Denken? Indem einem niemand reinredet. In The Basis of Make-Up II, Produktionszeit 17 Jahre, verfilmt Emigholz in rasendem Einstellungswechsel Notiz- und Skizzenbücher sowie 184 Zeichnungen, einander überlagernd, die lineare Abfolge verweigernd, auch die Kausalität. Was sich einstellt, ist die große Ruhe einer Gleichzeitigkeit, in der man einen Gedanken fassen kann. Der Zuschauer, der eine Perspektive findet, macht sich einen eigenen Film. Wem das hier zu unklar formuliert ist, dem rate ich, sich am 26. Februar in der Kunsthalle Emigholz zu seinen Langzeitprojekten Die Basis des Make-Up und Photographie und jenseits anzuhören.

Gedacht und geschrieben wird vom konkreten Bild aus. Wenn Emigholz am 2. März im Metropolis aus seinem Manuskript „Das schwarze Schamquadrat“ liest, dürfen wir sicher sein, nicht mit Psychologie oder den sonst üblichen Beziehungsgeschichten behelligt zu werden. Wir haben die Wahl, uns zu Bildeinstellungen und Kameraperspektiven einzustellen – an diesem Tag durch einen Text, den Emigholz und Eckhard Rhode lesen werden: „Normalsatz“. (Der Film dieses Titels läuft am Montag.) Nach dem Vortrag kann man den beziehungsgeneigten Menschen einer Wohngemeinschaft zusehen. Deren Tun ist auf attraktive Weise unbegreiflich, attraktiv, weil wir als Zuschauer etwas tun müssen: Der Film heißt Die Wiese der Sachen, Hauptdarsteller ist Eckhard Rhode, und attraktiv war der Film auch für die Jury, die dafür den Gay Teddy Bear-Award vergab. Wir wissen nicht, ob das auch deshalb geschah, weil dort den Kacheln unserer Station Meßberg nachgesagt wird, sie sähen aus wie „riesige, stilisierte Scheißhaufen, die in Pisse schwimmen“, zumindest aber kämen sie im Unbewuss-ten der Hamburger U-Bahn-Architekten als solche vor.

Ab dem 3. März laufen die Emigholz-Klassiker der siebziger Jahre. Frieda Grafe und die anderen großen kinematografischen Essayisten fahren darauf ab: ein Muss. Das war es auch für mich, damals. Um Emigholz bildete sich eine Gemeinschaft. In Der Zynische Körper übernahm Klaus Behnken (bis vor einem Jahr Chefredakteur der Zeitschrift Jungle World) die Hauptrolle – neben dem Elfenbeauftragten Wolfgang Müller (von Die Tödliche Doris), Kyle deCamp, Carola Regnier, Gad Klein und Klaus Wyborny. Die „Bewegung Emigholz“ erschließt sich im soeben erschienenen Reader Normalsatz (Verlag Martin Schmitz). Nicht zu viel versprochen: Emigholz komplett.

Sullivans Banken und Meillarts Brücken (mit Einführung „Photographie und jenseits“ von Heinz Emigholz): Fr, 21.15 Uhr; The Basis of Make-Up II und Miscellanea I + II (mit Einführung von Heinz Emigholz): Sa, 21.15 Uhr; Normalsatz: Mo, 21.15 Uhr; Vortrag Heinz Emigholz in der Kunsthalle: Di, 19 Uhr, Kunsthalle; Die Basis des Make-Up: Do, 28.2., 19 Uhr, Metropolis; die Reihe wird im März fortgesetzt