Jetzt ist auch Rau gegen einen Krieg mit Saddam

In Detroit übt der Bundespräsident Kritik an der amerikanischen Irakpolitik – aber so zaghaft, dass er sogar ohne das Wort Irak auskommt

BERLIN taz ■ Als diese Zeitung gedruckt wurde, bekamen die Gäste im Economic Club in Detroit gerade mal die Vorspeisen serviert. Bundespräsident Johannes Rau sollte erst nach dem Lunch ans Mikrofon treten, um in Amerikas größter Autostadt über „Globalisierung und transatlantische Partnerschaft“ zu sprechen – was in diesen Zeiten nicht geht, ohne einen Blick auf die Zukunft der westlichen Anti-Terror-Allianz zu werfen.

Nach dem vorab versandten Redemanuskript zu schließen, erlebten die Zuhörer den Bundespräsidenten, wie der Bundespräsident eben so ist: Seine Kritik an der amerikanischen Irakpolitik war ehrenwert, aber weder war Rau damit der Erste, noch wurde er besonders deutlich. So legte der Deutsche dar, dass der Kampf gegen den Terror nicht ausschließlich militärisch, aber auch nicht ausschließlich von den USA geführt werden dürfe. „Gerade der Einsatz militärischer Mittel muss weltweit akzeptiert sein, wenn er nachhaltig Erfolg haben soll“, sagte Rau in einem Satz, der sich als versteckte Kritik am drohenden Alleingang der Regierung Bush gegen den Irak lesen lässt.

Das Wort Irak fiel freilich in der Rede kein einziges Mal. Stattdessen wählte Rau seine Lieblingsstrategie des Tadels durch Lob: Indem er US-Außenminister Colin Powell für die Forderung nach einem Kampf gegen Armut und Hoffnungslosigkeit lobte, kritisierte er implizit die jüngste Verengung des Anti-Terror-Kriegs auf die Kriegsoption. Der Westen müsse auch durch seine Konzepte und Ideen überzeugen. Nur so habe man seinerzeit die Konfrontation des Kalten Krieges friedlich überwunden. Es gelte darum, so Rau, weltweit „Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit“ zu fördern und dadurch die Menschen stark zu machen, „terroristischer Verführung (zu) widerstehen“.

Manchmal wirkte Raus Bemühen um Diplomatie freilich auch unfreiwillig komisch. Da zitierte er zunächst US-Präsident Bush, der bekanntlich kein Freund restriktiver Rüstungskontrollen ist, mit der Warnung vor Massenvernichtungswaffen. Dazu erklärte Rau: „Ich kann nur zustimmen. Was läge dann näher, als die entsprechenden Rüstungskontrollvereinbarungen zu stärken?“

Nun würden Raus Worte anders wirken, wenn sie in dieser Form schon früher gekommen wären. Inzwischen freilich hat sich nicht nur das halbe Bundeskabinett von den Irakplänen der „Bush-Krieger“ im Weißen Haus distanziert. Alleine am Tag, als der Bundespräsident in Detroit sprach, vermeldeten die Nachrichtenagenturen kritische Worte der Abgeordneten Helmut Kohl, Wolfgang Gerhardt, Karl Lamers, Gernot Erler, Angelika Beer und Winnie Hermann. Lange vor der Bundestagswahl sind damit die Deutschen (von den Europäern gar nicht zu reden) in einer Großen Koalition gegen einen Irakkrieg vereint. Alle genannten Politiker fanden dabei deutlichere Worte als der Bundespräsident. So warnte Kohl gestern in der französischen Nationalversammlung vor US-Unilateralismus: „Die USA müssen begreifen, dass die Europäer Partner sind und keine Vasallen.“ Beer befand bündig, es könne keine Solidarität mit den USA geben, „wenn es sich nur um die Begleichung alter Rechnungen von Bush senior dreht“. Immerhin, Johannes Rau könnte noch etwas zur entscheidenden, weil bisher unbeantworteten Frage beitragen: Was macht Deutschland, wenn die USA doch zum Angriff schreiten? PATRIK SCHWARZ

TERESA DAPP