Dissonanz im Jazzbüro

Für die Zukunft mehr Effizienz erhofft: Intern stark umstrittene Umstrukturierung in Sack und Tüten  ■ Von Ariane Dandorfer

Vor fast vier Wochen ist der dem experimentellen Jazz zugeneigte Musikerverein TonArt aus dem Dachverband Jazzbüro rausgeflogen. Offizielle Begründung des Dachverbandes: TonArt habe sich vereinsschädigend verhalten. Als Beweis wurde der offene Brief Peter Niklas Wilsons von TonArt he-rangezogen, von dem sich die restlichen TonArt-Mitglieder nicht dis-tanzieren wollten. Wilson kritisiert darin, dass sich das neu strukturierte Jazzbüro ausschließlich aus „Wunschkandidaten“ von Heinz-Erich Gödecke, dem Vorsitzenden des Jazzbüros in seiner alten Form, zusammensetzen soll. Eine „Suspendierung demokratischer Spielregeln“ meint Wilson hier auszumachen und sieht das Jazzbüro zu einem „geschlossenen Zirkel handverlesener Jazz-Honoratioren“ verkommen.

Das Jazzbüro war 1996 auf Ini-tiative der Kulturbehörde hin entstanden und hat das Ziel, Jazz einem breiteren Publikum in Hamburg nahe zu bringen: Es organisiert beispielsweise das jährliche Sommer-Festival in Planten un Blomen, gibt den Veranstaltungsflyer Jazzpress heraus und fungiert als Kontaktbörse für Veranstalter und Jazzszene. Der Dachverband beherbergte ursprünglich drei Vereine als Mitglieder: TonArt, JazzHaus, in dem hauptsächlich Modern-Mainstream-Jazzer vertreten sind, und JazzCulture, welches aber inzwischen nur noch auf dem Papier existiert.

Über musikalische Unterschiede wurde auf den Treffen auch gerne debattiert, aber daran schieden sich nicht die Geister. Und anfangs verlief die Zusammenarbeit gut, wie sich Wilson erinnert. „Wir hielten Gödecke für eine Integrationsfigur, weil er der improvisierten Musik nahe steht.“ Schließlich ist der Jazzhaus-Vorsitzende sogar Gründungsmitglied von TonArt und hat seiner eigenen Einschätzung nach experimentellere Jazzmusik nach Kräften gefördert. Als Beispiel verweist Gödecke auf das vom Jazzbüro im Herbst 2001 ausgerichtete Festival Open Jazz, auf dem mehrheitlich die Richtung improvisierter Jazzmusik vertreten war.

Dennoch fühlte TonArt sich nicht genügend repräsentiert im Jazzbüro. Auch deshalb, weil meinungsbildende Prozesse abgeblockt worden seien. „Gödecke hat lieber eigenmächtig gehandelt“, so Wilson.

Eigenmächtige Entscheidungen gibt der bisherige Dachverbandsvorsitzende auch unumwunden zu. „Sonst wäre überhaupt nichts mehr vorangegangen“, glaubt er. TonArt habe sich gegen alle Veränderungen und Erweiterungsmöglichkeiten gesperrt, obwohl diese seiner Meinung nach auch den experimentellen Jazzern zugute gekommen wären. Weil das Jazzbüro faktisch nur noch aus zwei Mitgliedern bestand, habe man sich bei Entscheidungen ständig einer Pattsituation gegenübergesehen.

„Es blieb mir nichts anderes übrig, als einen Verein vorzuschlagen, der die streitenden Parteien auseinander dividiert“, sagt Gödecke. Ganz bewusst habe er für das künftige Jazzbüro nur wenige TonArt-Mitglieder ausgesucht, darunter Nicola Kruse und Peter Niklas Wilson. Ein Grund für sein Bemühen, einem möglichst reibungslosen Übergang des Jazzbüros in die neue Struktur einzuleiten, war der Druck der Kulturbehörde. Die dort für das Projekt zuständige Riekje Weber hatte bereits letztes Jahr Wind von den Auseinandersetzungen im Jazzbüro bekommen und setzte schon für Oktober 2001 die erste Frist für Vorschläge, wie eine Umstrukturierung in Gang gesetzt werden könnte. Neben Gödeckes Idee von ausgesuchten Personen als Mitglieder wurde die Idee eines für alle Mitglieder von JazzHaus und TonArt offenen Vereins präsentiert. Weil die Kulturbehörde, die schließlich über die Fördermittel entscheidet, ersteren Vorschlag vorzog, schien das weitere Vorgehen klar. Doch auf der folgenden TonArt-Sitzung meldeten einige Mitglieder weiteren Diskussionsbedarf über die neue Struktur an. Das war für Gödecke nicht mehr nachvollziehbar, und er strich die beiden TonArt-Mitglieder wieder von seiner Vorschlagsliste – allerdings mit dem Vorbehalt, dass der neue Vereinsvorstand sich doch für deren Aufnahme entscheiden könnte.

Vergangenen Montag beschloss der letzte noch im Dachverband verbliebene Verein die Umwandlung des Jazzbüros in einen Personenverein, der sich kommende Woche neu konstituieren wird. Nun entsteht das neue Jazzbüro nach Gödeckes Vorstellungen. Der passionierte Posaunist verspricht, dass auch experimenteller Jazz weiterhin dort gut vertreten sein wird.