Mächtig auf dem Holzweg

Die Schleswiger Kaltblüter Hannes und Jeronimo schuften für die Umwelt: Das traditionsreiche Pferderücken tut dem Wald wohl  ■ Von Jochen Becker

Früher stand Arne Brahmstädt eher auf der anderen Seite. Da pflügte er mit seiner Enduro durchs Gelände, brachte es im Motocross sogar zum Deutschen Meister. „Heute lässt sich das mit meinem Umweltverständnis nicht mehr vereinbaren“, sagt er und hat umgesattelt – auf 1 PS starke Kraftmaschinen, die ihm mindestens ebenso viel Freude machen. Und die zugleich etwas für die Umwelt tun: Mit seinen fünf Pferden der Rasse Schleswiger Kaltblut holt der 42-Jährige nach jahrhundertealter Methode Altholz und frisch geschlagene Stämme umweltfreundlich aus dem Ahrensböker Forst. Wo Trecker tiefe Spuren in den empfindlichen Waldboden graben, verdichten die so genannten Rückepferde den Boden nur unwesentlich und sind so weniger schädlich für das Wurzelwachstum der Bäume.

„Angefangen hat alles vor sieben Jahren“, erzählt Brahmstädt. Seine Frau hatte schon lange von eigenen Pferden geträumt, doch Warmblüter, „Aufgebohrte“, wie er sie in Anlehnung an die hochtourigen Maschinen im Motorsport nennt, sollten ihm nicht in den Stall. „In der Ruhe liegt die Kraft“ steht folgerichtig unter dem Bild des Schleswiger Kaltbluts auf dem Aufkleber, der das Heck seines Pferdeanhängers ziert.

Wobei Ruhe nichts mit Bräsigkeit zu tun hat. Hellwach und konzentriert sind Hannes und sein 13-jähriger Halbbruder Jeronimo, als Brahmstädt ihnen das schwarze Ledergeschirr mit den silbernen Knäufen anlegt. Stets folgen ihm Augen und Ohren der beiden Wallache. Zeigen die Ohren von ihm weg, weiß der Rücker, dass die Tiere abgelenkt sind, und das ist gefährlich, wenn er alleine mit schweren Holzstämmen im Wald hantiert. Ständig aufmerksam zu sein ist für die Rückepferde das eigentlich Anstrengende an der Arbeit. Unablässig spricht Arne Brahmstädt in ruhigem Ton auf sie ein: „Hoola, langsam! Zuurrück. Auf der Stelle, rechts. Ja, so ist gut!“ Manchmal, sagt er, „genügt auch ein Blick, und man hat sich verstanden“.

Um die 400 Kilo Holz können die bis zu 900 Kilo schweren Muskelpakete bei ständiger Belastung ziehen, unter Höchstbelastung sogar das Anderthalbfache ihres Eigengewichts. „Was kein Pfund wiegt, das zieht auch kein Pfund“, konstatiert Brahmstädt lapidar. Er geht mit den Zügeln in der Hand hinter den Pferden her, dirigiert sie über Gräben und quergefallene Stämme, durch schmale Passagen zwischen aufragenden Buchen und Gestrüpp. „Teilweise wird's so eng, da müssen sie abwechselnd ein- und ausatmen, um durchzukommen“, witzelt er, greift die dreizackige Kralle, die an einer Kette über den Waldboden schleift, und legt sie um einen Stamm. Durch die Zugkraft der Hafermotoren wird die Kralle gespannt und hält so das Holz in fester Umklammerung. Dann geht's unter Dampf zurück zum Verladeplatz. „Das ist der sprichwörtliche Holzweg“, erzählt Brahmstädt, „ein Weg, der eigentlich nirgendwohin führt.“

Das nasskalte Februarwetter schert Hannes und Jeronimo wenig, im Gegenteil – bei Temperaturen um die Null Grad läuft ihr Motor am besten. Und obwohl sie die schweren Hölzer scheinbar mühelos bewegen, kommen die Kaltblüter bald ins Schwitzen. Auf dem unbeschwerten Rückweg können sich die beiden ausruhen, und mehr als fünf Stunden am Tag lässt Arne Brahmstädt sie nicht arbeiten – bis zu 25 Festmeter Holz, also 25 Tonnen, kann er so bewegen. Neben Lob und Streicheleinheiten gibt es vor der Heimfahrt eine Feierabendbanane als Belohnung, so wissen sie: die Schicht ist aus, und sie haben ihre Sache gut gemacht. Doch wer viel arbeitet, hat auch viel Appetit: Jedes Pferd frisst am Tag einen Ballen Heu und einen Ballen Stroh, dazu kommen je nach Belas-tung ein bis drei Kilo Hafer.

Leben kann Brahmstädt vom Pferderücken allein nicht. „Für mich“, sagt er, „ist es eher ein bezahltes Hobby.“ Im Sommer spannen er und seine Frau ihre Rösser auch zu Hochzeiten oder Kinder-festen vor historische Kutschen. Nebenbei beschlägt der gelernte Feinmechaniker seine Pferde selbst. Dem 12-jährigen Hannes, den seine früheren Halter wegen einer Verknorpelung in den Hufen schon zum Abdecker gebracht hatten, schmiedete er eine orthopädische Einlage, mit der der Wallach nun auch auf hartem Untergrund wieder fest auftreten kann.

„Wenn so ein Pferd erstmal ausgebildet ist, dann ist es eigentlich unbezahlbar“, meint Brahmstädt, „man kennt sich ja mit seinen Ecken und Kanten“. Wie gut er seine Kaltblüter kennt, stellte er voriges Jahr bei den Europameisterschaften der Holzrücker in Detmold unter Beweis. Der Mann aus Schleswig-Holstein, dem „waldlosen Bundesland“, wie von der Konkurrenz gehöhnt wurde, belegte unter 200 Teilnehmern im zweispännigen Holzrücken auf Anhieb den ersten Platz.