„Sauberes Urväterbehagen“

■ Eine Verbundausstellung setzt sich mit der Heimatbewegung im Oldenburgischen auseinander. Allerorten landeten die großstadtfeindlichen Sucher lokaler Geborgenheit in der NS-Blut- und Boden-Ideologie

Die historische Last, die am Heimatbegriff hängt, wirkt schwer. Wie schwer, zeigt seit kurzem eine Verbundausstellung, die an sechs verschiedenen Orten im Oldenbuger Land gezeigt wird. Ihr Titel: „[haima:t] - Suche nach Geborgenheit“. Der Rückgriff auf die phonetische Umschrift ruft einen Verfremdungseffekt hervor, der zumindest kurzfristig ein allzu schnelles Abgleiten in positive Klischees oder negative Abwehrreflexe vermeidet. Thema ist die „Heimatbewegung in Stadt und Land Oldenburg“.

Der Heimatbegriff der so genannten Heimatbewegung ab etwa 1890 war bei aller Vielschichtigkeit und Diffusität ein politischer. Zwar endete er im Deutsch-Nationalismus, doch dort begann er nicht.

Oldenburg war bis 1933 ein festgefügtes politisches Gebilde, auf das sich eine oldenburgische Regional-Identität bezog: In der Weimarer Republik ein Land mit eigenem Parlament, war es aus dem „Großherzogtum Oldenburg“ hervorgegangen. Geografisch reichte es von der protestantischen Nordsee-Insel Wangerooge über die herzogliche Residenzstadt bis ins plattdeutsche und heute noch katholische Cloppenburg.

Dass Heimat und regionale Identität noch kleinräumiger waren und dennoch 1933 gradlinig im zentralistischen NS-Chauvinismus mündeten, zeigt die Teilausstellung „Friesenstolz und Heimatsinn“ im Schlossmuseum Jever.

1886 gründeten einige Honoratioren der Stadt im Rahmen der industrialisierungsfeindlichen „Heimatbewegung“ einen „Altertumsverein“. Der sollte Zeugnisse einer vermeintlich authentischen „friesisch-jeverländischen“ Bauernkultur sammeln und ausstellen - etwa blaues Porzellan und gestickte Hauben - und gleichzeitig die „patriotische“ Treue zum Oldenburger Herzog wahren. Ahnen wurden eforscht, die „Abstammungslehre“ setzte sich durch und stellte der späteren NS-“Rassekunde“ eine fruchtbare Vorstufe zur Verfügung.

1920 wurde aus dem Altertumsverein heraus ein „Heimatverein“ ins Leben gerufen. Mitglieder waren die örtlichen Intellektuellen: Journalisten, Lehrer, Pastoren. Sie organisierten Heimatabende mit Vortrag und Gesang und riefen eine plattdeutsche Theatergruppe ins Leben. Es war im Wesentlichen der Pastor Carl Woebcken, der diesem Verein einen deutlich völkischen und deutsch-nationalen Zug gab. Das Regionale, die Heimat, stand im Rahmen der auch in der Weimarer Verfassung akzeptierten Stammesideologie für das „deutsche Volk“. So protestierten die jeverschen „freien Friesen“ auch schon mal gegen die „Londoner Großmachtpolitik“. 1925 veranstalteten sie einen „Friesenkongress“.

Ausgerechnet von Groninger und Leeuwardener Wissenschaftlern mussten sie sich sagen lassen, dass die Friesen nicht so „unvermischt“ seien, wie die Jeverländer es gerne gehabt hätten.

Die wissenschaftliche Grundlage für die gemeinsame museumspädagogische Auseinandersetzung mit der Heimatbewegung hatte ein im März 1999 abgehaltener Kongress mit dem Titel „Regionaler Fundamentalismus“ gelegt. „Unmittelbarer Anlass für die Ausstellungen war die Debatte um den Schriftsteller August Hinrichs“, sagt die Jeveraner Museumsdirektorin Antje Sanders. Der beliebte hoch- und niederdeutsche Autor (1879-1956) aus Oldenburg war 1937 in die NSDAP eingetreten und zugleich Leiter der Reichsschriftumskammer des „Gaus Weser-Ems“ geworden. 1991 und 2001 hatten linke Stadtratsfraktionen vergeblich verlangt, Hinrichs die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.

Werk und Leben Hinrichs‘ und des Heimatmalers Bernhard Winter (1871-1864) sind denn auch Gegenstand einer eigenen Ausstellung im Oldenburger Stadtmuseum. Winters Motive und Malweise verkörpern in idealer Weise die nationalsozialistische Kulturpolitik. Allein: Winter, Freund des Worpsweder Künstlers Fritz Mackensen, hat schon weit vor 1933 so gemalt. Bauernhäuser und pseudoauthentisches Landleben in historischer Konstruktion, wie sie im Zuge der Agrarmodernisierung seit 1870 langsam verschwanden. Winter wurde Professor, versuchte sich an einer Germanisierung des Christentums und malte im Auftrag des NS-Gauleiters Carl Röver. Sein Leben lang erhielt er Preise, 1941 die Goethe-Medaille von Hitler, 1943 den Gaukulturpreis in Bremen und 1951 das Bundesverdienstkreuz. Seit 1961 ist auch er ein Ehrenbürger der Huntestadt.

Eine Auseinandersetzung mit der Integration der breit verankerten Heimat- und Heimatkunstbewegung in den Nationalsozialismus war 57 Jahre nach dessen Ende überfällig. Thomas Gebel

Ausstellungen bis zum 12. Mai: Schlossmuseum Jever, Museumsdorf Cloppenburg, Stadt- und Landesmuseum sowie Landesbibliothek Oldenburg 10-16.30 Uhr.