Singen als Philosophie

Aitsch Pie Aitsch: Ein Kinder-Gospel-Chor aus dem Schanzenviertel wider die Probleme der Welt  ■ Von Natascha Peleikis

Vor der Tür reihen sich Buggys und Kinderkarren eng aneinander. Drinnen im Cafe ist es rappelvoll. Sitzplätze sind Mangelware, Stehplätze auch. Kinder aller Hautschattierungen zwischen schwarz und weiß drängeln sich um den Eisstand. Schlängelt man sich zwischen den Tischen durch, ist der Abdruck einer Kugel Vanille oder Erdbeer garantiert. Die Erwachsenen rücken nur widerwillig zusammen, um ein Plätzchen zu schaffen. Die Bedienung erträgt das Gerempel wohlwollend: „Heute ist das hier so.“

Auch in den Kellerräumen ist es wuselig. Während andere Gruppen ab- und umbauen, wartet eine Reihe von Kindern auf ihre Kostüme. Circa zwölf Quadratmeter Umkleidekabine für ungefähr 20 Kinder und ihre unterstützenden Eltern. Da muss auch auf die anderen Räume ausgewichen werden. Irgendwie kommt eine Ordnung zustande. Geduldig stellen sich die Kinder an und nehmen ihre maßgeschneiderten Hemden und Hosen in Empfang.

„Aitsch Pie Aitsch“ rufen sie anschließend, einer Frau in weißem Gewand durch das Gedrängel auf die kleine Bühne folgend. Plötzlich steht das Publikum auf Tischen und Stühlen, um einen freien Blick zu haben. Auf dem Klavier und von einer Trommel begleitet folgt nun eine Präsentation von Gospelkompositionen in einer Mischung aus Englisch, Französisch und afrikanischen Sprachen. Zunächst etwas zögerlich, schließlich immer lauter, klatschen die Erwachsenen mit. Die Grenzen zwischen Publikum und Chor sind fließend. Auch ein unkos-tümiertes Kind gesellt sich für eine Weile zu den Kindern auf die Bühne. Manche Kinder im Publikum und so manche Eltern kennen die Texte und singen lautstark mit. Nach einer dreiviertel Stunde Lobpreisungen, fiel die geforderte Zugabe weg. Und der Chor entschwand „aitsch pie aitsch“ deklamierend“.

So geschah es am Sonntag auf der Abschlussfeier des 50jährigen Jubiläums des Norwegenheims im Schanzenpark. „Der Kinder-Gospel-Chor entspricht unserer Grundidee“, so Anne Knaack, die Initiatorin des Vereins SternChance, der das Haus als Stadtteil-Kulturzentrum betreibt. Er gehört zu den sozialen Angeboten der Initiative. Jeden Sonntag üben die drei Gründer von Humanity Private House (HPH), Andrea Garroth, Anke Schaubrenner und Toto Ada, mit den Kindern, ohne Raummiete zahlen zu müssen.

Der Name ,Humanity Private House' lässt an eine Sekte denken. „Eine Sekte sind wir nicht“, so Andrea Garroth, die Organisatorin. Die Gruppe versteht sich als Forum für interkulturelles Miteinander. Ihr Ziel sei, so schreiben sie über sich, „die Gewinnung eines neuen positiven Gesellschaftsprofils“. Der Kinderchor ist neben einem Chor für Erwachsene, einer gerade entstehenden HipHop-Gruppe und geplantem Tanzunterricht ein pädagogischer Weg, auf dem sie ihre Vorstellung von Interkulturalität verbreiten. Harmonie, Philosophie, Freedom sind ihre Schlagworte, die sie ähnlich wie Mantren die Kinder wiederholen lassen. Durch Musik und Bewegung sollen die Kinder sich selbst finden und Gemeinsamkeit erleben. Ihre Arbeit nennen sie pädagogisch, therapeutisch und spirituell. „Gott ist in Dir“ sei der gemeinsame Nenner aller Religionen, weshalb durch ihre Gott preisenden Lieder niemand ausgegrenzt sei. Ihre Arbeit stärke im gegenteil die Individualität und das Selbstbewusstsein. Ohne Werbung erlangte der Chor über die Grenzen des Schanzenviertels hinaus Bekanntheit. Aus Eppendorf, Langenhorn und vielen anderen Stadtteilen werden die Kinder herangefahren. Sie sind persisch, deutsch, französisch oder indisch; zwischen vier und zwölf Jahren alt, reich und arm. Drei Euro fünfzig kostet die Teilnahme pro Kind und Session, monatlich vierzehn Euro.

HPH hat noch viel vor. Es sei ein familiäres Projekt, dass sich entwickele. Ganz in ihrem Sinne der Humanity erwarten sie von anderen Künstlern Unterstützung und Zusammenarbeit. Als nächstes steht die Aufnahme einer CD an: Davon erhoffen sie sich eine Ausdehnung ihrer Popularität.