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: Keep it real

„Will einmal bis zur Sonne gehen“ (ZDF, Mo., 0.05 Uhr)

„Ich mein, man lernt nie aus, doch falls es jemand interessiert: ich hab mir erst ma keep it real dick auf meinen Hintern tätowiert!“. Pyranja ist 23, kommt aus Rostock, wohnt in Berlin und ist MC. Dass sie eine der wenigen Frauen im HipHop ist, kommentiert sie trocken: „Ihr macht mich doch dazu. Ich bin n MC. Ich sag ja auch nicht: für nen Typen rappt der und der ganz gut.“

Petra Mäussnest porträtiert in ihrem Film drei Frauen: Pyranja, die Wahl-Heidelbergerin Cora E. und Brixx, die nach einem Reinfall mit dem Plattenriesen Sony Columbia wieder ihre eigene Produzentin ist. Die Filmemacherin hat die MCs begleitet und ist ihnen so nahe auf die Pelle gerückt, wie die Frauen es mitmachten: Brixx sieht man mit ihrer Mutter, einer Ungarin, die beiden gehen Stoffe für „coole Bühnenoutfits“ einkaufen. Am Küchentisch lötet sie (mit rattenscharfen, langen Pornonägeln) später ihr Mischpult wieder heil, um ein paar Beats zu sampeln. Cora E., die neben ihrer langjährigen Rap-Karriere als Psychiatrie-Krankenschwester arbeitet, leitet Rap-Workshops und zeigt darin kleinen, über die Beats stolpernden Jungs, wie der Flow zu fließen hat. Pyranja, die nach ihrer Plattenveröffentlichung bei Def Jam Germany Erfolge einfuhr und Videos drehte, gibt ein Interview nach dem anderen und muss immer wieder auf die Frage antworten, ob es denn „als Mädchen nicht ein bisschen schwer sei“, sich in der Rap-Szene zu behaupten.

Dass Petra Mäussnest diese Frage nicht selbst gestellt hat, sondern sie, wenn überhaupt, nur von den im Film gezeigten Interviewern thematisieren lässt, ist ein genialer Coup. Überhaupt hält sich die Filmemacherin zurück, überlässt ihren Protagonistinnen, wie und womit sie sich präsentieren. Das wirkt authentisch, nie übertrieben, wie sonst in der oft aus US-Epigonen oder Hochglanzpüppchen wie Sabrina Setlur und Thomas D. bestehenden HipHop-Szene mit ihren eigenen Ritualen und der künstlichen Sprache. Der Film swingt in einem eigenen Rhythmus und kann auch noch die nötige Street Credibility aus Berlin, Köln und Heidelberg aufweisen. Damit ist Mäussnest inhaltlich und formal ein wunderbares und ehrliches Stück Jugendkultur-Aufnahme gelungen. Oder mit anderen Worten: Phat! JZ