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Steil passt zurück

Hamburgs Arbeitsamtschef will sich Wettbewerb stellen. Den Reformen der Bundesregierung sieht er aber mit Skepsis entgegen  ■ Von Marco Carini

„Jetzt geht's mir schon besser“, seufzte Hamburgs Arbeitsamtsdirektor Rolf Steil gestern am Ende der eilig anberaumten Pressekonferenz erleichtert. Denn was der Amtschef vorher losgeworden war, ist nicht von Pappe. Auch dem Hamburger Arbeitsamt steht eine tiefgreifende Reform bevor; nach dem bundesweiten Skandal um geschönte Arbeitsmarktstatistiken und dem Jagoda-Abgang soll vieles anders werden. Die ersten Konturen der anstehenden Umwälzungen hatte Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) Steil und dessen 180 Amtskollegen aus dem gesamten Bundesgebiet am Montag in Nürnberg erläutert. Seine Skepsis darüber kann der Hamburger Amts-direktor kaum verhehlen.

Reformschritt Nummer 1: In Zukunft sollen verstärkt private Vermittler den Arbeitsämtern Konkurrenz machen. Für sie soll es – anders als bisher – keine strengen Zulassungskriterien geben. Arbeitslose, die länger als drei Monate ohne Job sind, können dann die Dienste der privaten Headhunter in Anspruch nehmen. Steil befürchtet, dass die Privatvermittler sich „die Rosinen“ unter den Arbeitslosen rauspickten, um „die schnelle Mark zu verdienen“. Schwer vermittelbare Arbeitslose könnten hingegen auf der Strecke bleiben.

Aber auch im Amt selbst soll sich Leistung künftig lohnen: Besonders erfolgreiche Arbeitsvermittler werden eine Leistungsprämie erhalten. „Wir werden uns dem Wettbewerb stellen“, versprach Steil. Etwas anderes wird ihm auch kaum übrig bleiben.

Reformschritt Nummer 2: Eine 15-köpfige Kommission unter Leitung des VW-Personalchefs Peter Hartz soll die Reform der Bundesanstalt und der Landesarbeitsämter vorantreiben. Angedacht ist die Konzentration auf „Kernaufgaben“ und die strikte Dezentralisierung der Arbeitsämter. „Wir müssen aber die Drehscheibe für eine aktive Arbeitsmarktpolitik bleiben“, plädiert Steil gegen zu weit gehende Reformen.

Zudem soll die Kommission Vorschläge dafür machen, wie Sozial- und Arbeitslosenhilfe künftig von einer einzigen Stelle aus verwaltet und vergeben werden. „Das können wir hervorragend leisten“, bemüht sich Rolf Steil schon heute, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Daneben plädiert er dafür, dass auch die „Kindergeldkasse“ in der Hand der Arbeitsämter bleibt: „Das wickeln wir effizient und wirtschaftlich ab.“

Trotz bundesweiter Reformpläne will Steil in Hamburg erst einmal die interne Umstrukturierung mit dem leicht veraltet klingenden Titel „Arbeitsamt 2000“ vorantreiben. Bis zum Herbst sollen Hierarchien und getrennte Arbeitsbereiche in den norddeutschen Arbeitsämtern weit gehend durch „Teamstrukturen“ ersetzt sowie für jeden Arbeitslosen „eine Anlaufstelle geschaffen werden, die alle seine Anliegen umfassend bearbeitet“. Steil geht davon aus, dass sich diese Neuordnung nicht mit den Vorschlägen der Kommission beißen wird.

Sicher aber ist er nicht: „Es kann sein, dass die alles wieder umschmeißen.“

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