Ein schwerwiegender Vorwurf

Der Fußballtrainer Daniel K. soll kleine Jungs sexuell missbraucht haben. Die Richterin spricht ihn frei

Sexueller Mißbrauch ist ein schwerwiegender Vorwurf. Der Verdacht allein kann die Nachbarn zum Schwatzen bringen, kann Freunde zu Feinden werden lassen, kann Karrieren zerstören. Die Richter in diesem Land verhängen hohe Strafen für sexuelle Vergehen. Denn die Schuld der Täter ist groß; größer als bei anderen Verbrechen; nicht wieder gutzumachen. Opfer von Sexualdelikten leiden lange, manchmal ein ganzes Leben lang.

Daniel K. weiß, dass dieser Vorwurf kein Spaß ist. Der 25-jährige Fußballtrainer des SFC Friedrichshain musste sich gestern wegen sexuellen Missbrauchs von zwei kleinen Jungs vor dem Landgericht verantworten. Insgesamt acht Mal soll er sich an den beiden Schülern, die bei ihm in der Mannschaft spielten, vergangen haben, sagt der Staatsanwalt. Er soll sie in seine Wohnung gelockt haben, soll dem damals elf-jährigen Philip im Wohnzimmer befohlen haben, sich auszuziehen, soll seinen Körper an dem Jungen gerieben haben. In einer Sportanlage am Werbellinsee ist es laut Anklage zu einem ähnlichen Vorfall gekommen.

Der Angeklagte Daniel K. ist ein schmächtiger junger Mann, der Vorwurf des Staatsanwalts kann ihm das Kreuz brechen, das weiß er. Er arbeitet als leitender Angestellter bei einer Firma in Pankow und trainiert in seiner Freizeit eine Fußballmannschaft. So sieht sein Leben aus und nichts weiter, Daniel K. ahnt jedoch, was aus dieser Ordnung werden könnte, wenn die Richterin ihm nicht glaubt: Gefängnis, Jobverlust, gesellschaftliche Ächtung. Mit haspelnder Stimme sagt er: „Da ist wirklich überhaupt nichts dran!“ Fast panisch wirkt die Abwehr. Daniel K. weiß, dass er verdächtig ist. Er ist homosexuell. Viele Menschen trauen einem wie ihm nicht, das hat er schon oft erlebt. Deswegen schiebt der Angeklagte alles, was zweideutig aufgefasst werden könnte, weit von sich. So weit, dass es wieder verdächtig wirkt. Niemals seien die Kinder bei ihm in der Wohnung gewesen, meint Daniel K., niemals hätte er einen seiner Fußballschüler angefasst, auch beim Training nicht, auch nicht zufällig.

Der inzwischen 13-jährige Philip K. bestätigt zwar die Vorwürfe. Schüchtern sitzt der Junge vor der Richterin und erzählt, der frühere Trainer habe sich mehrfach auf ihn gelegt und „Bewegungen gemacht“, sein jüngerer Freund spricht von „Streicheln“. Allerdings ergeben sich aus den Aussagen Widersprüche. Zuerst will Philip dreimal in der Wohnung des Angeklagten gewesen sein, später sollen es sechs Besuche gewesen sein. Er sagt, sie hätten dort geduscht, dann wieder doch nicht. Die Richterin glaubt, das Ganze könnte auch eine Rache der beiden Schüler gewesen sein. Eine Psychologin, die die beiden untersucht hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anschuldigungen erfunden sein könnten. Der Angeklagte K. erklärt, er hätte häufiger Probleme mit den beiden Jungs gehabt. Philip hätte sich ungerecht behandelt gefühlt, als er nicht zum Kapitän der Mannschaft gewählt worden sei. Seinen Freund hat K. aus dem Verein gewiesen, weil er die Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt habe. Die Richterin glaubt ihm, sie spricht Daniel K. frei.KIRSTEN KÜPPERS