Fluchtburg für geschlagene Männer

Das Berliner Männerbüro will Deutschlands erstes Haus für Männer einrichten, die unter Gewalt ihrer Frauen leiden. Wie viele davon betroffen sind, ist unklar. Statistiken fehlen noch. Und die meisten Opfer schweigen meist aus Scham

Ein Mann, der von seiner Frau geschlagen wird? Das gibt es in der öffentlichen Wahrnehmung höchstens in Werbespots oder Spielfilmen – da holt die Betrogene zur Eifersuchtsohrfeige aus, und der Untreue fasst sich schuldbewusst an die Wange. Doch Gewalt gegen Männer gibt es. „Manchmal höre ich gleich mehrmals täglich Geschichten von Männern, die von ihren Frauen angegriffen werden“, sagt der Familienberater Peter Thiel. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern vom Berliner Männerbüro will er deshalb Deutschlands erstes Männerhaus eröffnen. Dort sollen die Gewaltopfer Zuflucht finden.

Rund 400 solcher Einrichtungen gibt es bundesweit für misshandelte Frauen und deren Kinder – doch dass aus den Frauen Täter und aus den Männern Opfer werden, ist in der Betreuungsstruktur im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt nicht vorgesehen. „Gewalt gegen Frauen ist das zentrale Thema“, sagt eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums über das Aktionsprogramm der Bundesregierung.

Dabei wird nicht nur geschlagen, sondern auch anders agiert: „Ein Mann hat berichtet, seine Frau habe ihm einfach die Brille zertreten“, sagte Günter Hahn von der einzigen Männerberatungsstelle Berlins beim Verein Mannege. Ein anderer allerdings kam mit Verletzungen durch Schläge gar in die Kriseneinrichtung eines Krankenhauses.

Wie oft Männer Opfer werden, darüber gibt es nach Angaben des Ministeriums und des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) keine genauen Zahlen. „Sicher steht es außer Frage, dass Frauen Gewalt gegen Männer ausüben“, sagt KFN-Chef Peter Wetzels. „Welches Ausmaß das hat, ist allerdings unklar.“

Das Familienministerium hat im vergangenen Herbst die erste Pilotstudie zu der Frage ausgeschrieben. Mit Kriminalitätsstatistiken oder dem Zählen von Strafanzeigen kommt man dem Problem nicht bei: Das Dunkelfeld ist nach Expertenansicht enorm groß. Erst in jüngster Zeit wird das Thema enttabuisiert – eine ähnliche Entwicklung, wie sie in den 70er-Jahren die Frauenbewegung in Gang brachte, meint Thiel.

Denn noch kommt für Männer der Gang an die Öffentlichkeit als Gewaltopfer meist einer zweiten Demütigung gleich. „Männer verlieren, wenn sie als Opfer weiblicher Gewalt an die Öffentlichkeit gehen: mindestens ihr Gesicht und ihre Selbstachtung, falls man ihnen überhaupt glaubt“, schreibt der Mainzer Kriminologe Michael Bock in einem Gastbeitrag für mehrere Zeitungen. „Da schmunzeln doch alle, wenn sie hören, dass ein Mann von seiner Frau geschlagen wird und sich das gefallen lässt“, glaubt Familienberater Thiel.

„Die Männer erzählen oft beiläufig von ihrer Situation“, hat Thiel erlebt. „Am Ende eines Satzes kommt dann so etwas wie ‚da hat sie mich geschlagen‘ oder Ähnliches.“ Er hat in seiner Praxis von Morddrohungen, Messerattacken und auch von heftigem seelischem Terror gehört. Nicht selten werden beide Partner gewalttätig, wenn die Situation eskaliert.

Im Männerhaus sollen sich Opfer nun – gegebenenfalls mit ihren Kindern – für eine begrenzte Zeit zurückziehen können und von hier aus in ein neues Leben starten. Eine Konzeption will Thiel gemeinsam mit seinen Mitstreitern im Berliner Männerbüro demnächst an die Senatsverwaltung für Soziales schicken.

Auch Günter Hahn von Mannege sieht das Projekt positiv – aber nicht nur für Gewaltopfer. Seit dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes kann die Polizei prügelnde Männer der Wohnung verweisen. „Aber wohin dann mit den Kerlen?“, fragt Hahn. KATJA BAUER (DPA)