Importschlager aus Italien: Hausmüll

Eigentlich soll in der EU der Müll entsorgt werden wo er entsteht. Doch in Deutschland wird Hausmüll aus Neapel verbrannt. Jetzt will Niedersachsen 110.000 Tonnen importieren. Bund und Länder streiten sich

HANNOVER taz ■ So kann der freie Warenverkehr in der EU auch aussehen: Seit letztem Jahr importieren deutsche Müllverbrennungsanlagen zehntausende von Tonnen Müll aus Italien, um dort einem angeblichen Müllnotstand abzuhelfen. Die Transporte, die die deutschen Überkapazitäten bei der Müllverbrennung auslasten, sorgen jetzt für Ärger zwischen dem Bund und den Ländern. Die Hausmüllimporte aus Italien seien „politisch nicht gewollt, aber rechtlich sehr schwierig zu verhindern“, hieß es am Wochenende unisono in den Umweltministerien in Hannover und Düsseldorf. Zuvor hatte auch Bundesumweltminister Jürgen Trittin die Güterzüge kritisiert, die aus Neapel voller Hausmüll über die Alpen rollen. Er erinnerte an „die Pflicht zur ortsnahen Beseitigung von Hausmüll“ im europäischen Recht.

Dieses Prinzip ist in Hannover und Düsseldorf sehr wohl bekannt. Dennoch sind im vergangenem Jahr bereits knapp 100.000 Tonnen Hausmüll von Neapel zur Verbrennung nach Krefeld und Oberhausen gebracht worden. Die Verbrennung von weiteren 110.000 Tonnen neapolitanischen Hausmülls in Niedersachsen hat in Hannover gerade die landeseigene Gesellschaft zur Endlagerung von Sonderabfall genehmigt. 50.000 Tonnen sollen dabei nach Hameln geliefert werden, weitere 60.000 Tonnen nach Helmstedt gehen. In Nordrhein-Westfalen liegt ebenfalls bereits ein neuer Antrag auf Import italienischen Hausmülls vor. Noch einmal 100.000 Tonnen Müll aus Neapel sollten in Krefeld verbrannt werden, sagte der Sprecher des Umweltministeriums in Düsseldorf, Leo Bosten.

Trittin sagte, er verfolge „die Geschichte des neapolitanische Hausmülls seit geraumer Zeit“. Sein Haus habe verhindert, dass Müll aus Neapel in Mecklenburg-Vorpommern auf der Deponie Schönberg abgelagert werden konnte. Überkapazitäten in deutschen Müllverbrennungsanlagen seien keine Begründung für die Importe. In Niedersachsen werde weiterhin unbehandelter Hausmüll auf alten ungesicherten Deponien abgelagert, sagte der Bundesumweltminister, das sei ökologisch weitaus schlimmer als die Verbrennung. Wenn in Niedersachen die alten Deponien endlich geschlossen würden, werde es sogar einen Engpass bei den Verbrennungskapazitäten geben.

Das niedersächsische Umweltministerium begründete den Hausmüllimporte aus Italien mit der Notlage, die in Neapel durch das Abrutschen einer großen Deponie ins Meer entstanden sei. In einem Brief an Trittin zog sich der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner allerdings darauf zurück, dass lediglich Italien für eine ortsnahe Entsorgung italienischen Mülls sorgen müsse. „Die zuständige Behörde in Italien habe keinen Einwand gegen die Verbringung erhoben“, heißt es in dem Brief. Das deutsche Recht fordere zwar die Beseitigung im Inland, kenne „jedoch kein Verbot der Einfuhr der Beseitigungsabfällen aus anderen Staaten“. Er habe deswegen „keine Veranlassung gesehen, der Region Kampanien die begehrte Hilfe zu verweigern“, begründete Jüttner sein Ja zum italienisch-deutschen Mülltourismus.

Der Antrag, die Verbrennung von weiteren 100.000 Tonnen in Nordrhein-Westfalen fortzusetzen, werde jetzt geprüft, hieß es. Man habe zunächst um weitere Erläuterungen gebeten, sagte Ministeriumssprecher Bosten. Italien müsse belegen, dass tatsächlich noch eine Notfallsituation bestehe. Allerdings verweist Bosten auch auf große Verbrennungskapazitäten in Nordrhein-Westfalen, die man nicht mit heimischen Müll auslasten könne. Außerdem sei man 1995 schon einmal vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, den Import von Müll aus Bayern zu unterbinden.

JÜRGEN VOGES