Afghanistan setzt auf Opium

Das Anti-Drogen-Büro der Vereinten Nationen befürchtet starken Anstieg der Drogenproduktion.Den Bauern des Landes sollen deshalb dringend wirtschaftliche Alternativen geboten werden

von ERIC CHAUVISTRÉ

Ende dieses Jahres hätte es für die Heroinhändler in Europa knapp werden können. Weil die Taliban vor zwei Jahren den Anbau von Opium verboten, brach der größte Lieferant für den Heroinrohstoff weg. Nur weil 1999 die Ernte in Afghanistan ein Rekordergebnis erbracht hatte und die Nordallianz in den von ihr kontrollierten Gebieten den Anbau weiterhin erlaubte, gingen die Vorräte nicht schnell zu Ende.

Jetzt fürchtet das Anti-Drogen-Büro der UNO (UNDCP), dass die langsam leer werdenden Lager wieder gefüllt werden könnten: „Der Anbau in Afghanistan findet wieder auf einem sehr hohen Niveau statt“, sagte der UNDCP-Sprecher Kemal Kurspahic gestern der taz. Ein Bericht, der einen dramatischen Anstieg des Opiumanbaus in Afghanistan dokumentiert, wird in den nächsten Tagen veröffentlicht. Noch werten Mitarbeiter der Organisation in Wien die Daten aus etwa 200 Dörfern in ganz Afghanistan aus, doch schon jetzt steht fest, dass das Land bald wieder seinen Marktanteil von 70 Prozent an der Weltopiumproduktion erreichen könnte. „Alles andere, was wir ansonsten tun, wird nichts nützen, wenn wir den Nachschub aus Afghanistan nicht kontrollieren“, befürchtet deshalb Kurspahic.

Die Interimsregierung Afghanistans habe zwar ein Dekret erlassen, dass noch umfassender ist als das Opiumverbot der Taliban. Doch die Regierung habe nicht die Mittel, das Verbot auch durchzusetzen. Vor allem aber fehlt es nach Einschätzung von UNDCP an wirtschaftlichen Anreizen für die Opiumbauern, auf andere Produkte umzusteigen. „Die Drogenhändler geben den Bauern Kredite für die erwartete Ernte, sie sind deshalb vollkommen abhängig“, beschreibt Kurspahic die Lage. „Sie benötigen dringend Hilfe, um sich von dieser Abhängigkeit zu befreien.“ Selbst die Verwüstungen durch Bürgerkrieg und US-Bombardements haben den Anbau nicht gestoppt. Im Gegenteil: Weil Hilfsorganisationen abgelegene Gebiete nicht erreichen konnten, setzten die Bauern wieder stärker auf die Erlöse aus dem Opiumgeschäft. Schon Ende März werden im Süden des Landes die ersten im Oktober ausgesähten Felder abgeerntet.

Obwohl Afghanistan damit wieder auf dem Weg ist, das führende Produktionsland für Opium zu werden, bleibt es von den strikten US-Maßnahmen gegen Drogen poduzierende Staaten verschont. In einem von Präsident George W. Bush am Wochenende erlassenen Dekret wird es zwar weiter auf der Liste der Länder geführt, die nicht genug gegen die Produktion illegaler Drogen unternehmen, mit Verweis auf die „vitalen Interessen“ der USA wird Afghanistan aber nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Sanktionen unterworfen.