Misstrauen gegen Schüssel

Grüne und SPÖ machen die Regierung aus ÖVP und FPÖ für die Eskapaden Haiders verantwortlich. Das Außenministerium wusste vorher von seiner Reise in den Irak

WIEN taz ■ „Sie schaffen es nicht, dieser Art von Rechtsstaatsverweigerung und den außenpolitischen Amoklauf einen Riegel vorzuschieben.“ So begründete Grünen-Chef Alexander Van der Bellen gestern den Misstrauensantrag seiner Fraktion gegen die gesamte Bundesregierung von Kanzler Wolfgang Schüssel, der die Eskapaden von Jörg Haider nie verurteilt hat und meistens nicht einmal kommentiert. Anlass für den Einsatz des schärfsten Mittels, das der parlamentarischen Opposition zusteht, war die Irak-Reise des Kärntner Landeshauptmanns, die Österreich außenpolitisch geschadet habe, der von der FPÖ wegen Beneš-Dekreten und Kernkraftwerk Temelín angezettelte Streit mit der Tschechischen Republik und auch Haiders Angriffe auf den Verfassungsgerichtshof, nach dem dieser die slowenischen Minderheitenrechte in Kärnten gestärkt hatte.

Die SPÖ unterstützte erwartungsgemäß den Vorstoß der kleinen Oppositionspartei, der ebenso erwartungsgemäß wie die bisherigen neun Misstrauensanträge gegen einzelne Minister von der Regierungsmehrheit niedergestimmt wurde. Denn nur in den Umfragen liegt Rot-Grün inzwischen Kopf an Kopf mit der Koalition. Die demonstrative Eintracht der Koalition, die die Debatte zum Anlass nahm, reichlich Weihrauch über ihre Leistungen zu schwenken, kann aber die Krise der vergangenen Wochen schwerlich vom Tisch wischen. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Haiders außenpolitische Alleingänge weder verhindert noch eindeutig verurteilt zu haben.

Obwohl das Außenministerium über seine Botschaften in Amman und New York von den Reiseplänen informiert war, gab sie sich völlig überrascht, als Haider Saddam Hussein in Bagdad die „Solidarität des österreichischen Volkes“ überbrachte. Es könne nicht im Interesse Österreichs sein, „die Irak-Reise Haiders überzubewerten“, erklärte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein in Vertretung seiner im Maghreb weilenden Kollegin.

Weniger gelassen bleibt die ÖVP in Kärnten. Auch die Intervention von Parteichef und Bundeskanzler Schüssel konnte den Kärntner ÖVP-Chef Georg Wurmitzer, der schon vor zehn Jahren einmal zur Absetzung Haiders beigetragen hatte, nicht davon abhalten, im Landtag eine Untersuchungskommission zu beantragen, die klären soll, wer Haiders außereuropäische Reisen finanziert hat, wer ihn begleitete, was tatsächlich besprochen wurde und wer die Kontakte einfädelte. Mysteriöse Schlüsselfigur der Irak-Connection ist nämlich der in Kärnten ansässige ehemalige Waffenhändler Abdul Jebara aus dem Irak, dem der sonst in solchen Fragen wenig großzügige Landeshauptmann zu einer Aufenthaltsgenehmigung verholfen hat. Trotz Warnungen aus Deutschland, wo er wegen Waffenschmuggels und räuberischer Erpressung mehr als sechs Jahre absitzen musste, und Bedenken der Sicherheitsdirektion Klagenfurt erhielt er unter Haider in Rekordzeit seine Lizenz zum Import- und Exporthandel, wie das Wochenmagazin Format dokumentiert. Eine ernsthafte Untersuchung könnte für den Landeshauptmann peinlich werden. RALF LEONHARD