Karadžić entwischt

Der bosnische Serbenführer ist wiederholt in der Region Foca vermutet worden. Es soll bereits frühere Festnahmeversuche gegeben haben

von ERICH RATHFELDER

Die Stadt Foca liegt südöstlich von Sarajevo am Fluß Drina. Die einstmals zur Hälfte von Muslimen bewohnte Stadt ist heute vornehmlich serbisch. Nur wenige Überlebende der ethnischen Säuberungen vom April/Mai 1992 kamen nach dem Krieg in ihre Heimat zurück.

Hier in Foca wurden damals schwere Verbrechen begannen, mehr als 3.000 Menschen sollen ermordet worden sein. Viele Frauen sind in den Vergewaltigungslagern verschwunden. Auch wegen dieser Verbrechen soll Radovan Karadžić, der damalige bosnische Serbenführer, vor dem Gericht in Den Haag angeklagt werden.

Zu beiden Seiten des Tales steigen bewaldete Berge auf. Auf der östlichen Seite des Flusses, hin zu Montenegro, liegt das vornehmlich von Serben bewohnte Gebiet, das gestern von den internationalen SFOR-Truppen aufs Korn genommen wurde. Und dort, in den Dörfern und Weilern, die auf der bewaldeten und lediglich durch ungeteerte Straßen durchzogenen Hochebene liegen, sollte sich nach Ansicht der Militärs Karadžić versteckt haben. Das hatten nicht nur die Spezialisten der Nato, sondern auch Journalisten schon seit längerem vermutet. Der Aufenthaltsort sollte im Dorf Celebici liegen. Celebici ist ein Grenzdorf hin zu Montenegro. Nur eine Straße, die vom Dorf aus einsehbar ist, führt dorthin. Vom Dorf aus kann man leicht auf die andere Seite der Grenze gelangen. Und die wird von der jugoslawischen Armee, die auf montenegrinischem Gebiet mehrere Kasernen unterhält, gesichert. Dorthin zu flüchten, wäre also möglich, zumal das Haus Karadžić’ in Celebici nur wenige hundert Meter von der Grenze entfernt gelegen sein soll. So berichteten jedenfalls montenegrinische Journalisten.

Als Korrespondenten im Sommer letzten Jahres an dem Ortseingang auftauchten, war es nicht mehr möglich, weiterzufahren. Serbische Zivilisten bedeuteten uns damals, wir sollten in der Bar am Ortseingang ein Bier trinken und dann wieder verschwinden. „Dr. Karadžić“, so war ihnen immerhin zu entlocken, „ist nicht hier. Aber er ist unser Held. Man könnte uns 50 Millionen Dollar bieten, wir würden ihn nicht verraten.“ Sie spielten damit auf das „Kopfgeld“ an, das die USA auf Karadzic ausgesetzt haben. Kein Zweifel blieb, dass die dortige serbische Bevölkerung Karadžić unterstützt. Und jene, die im Nachbardorf mit den Journalisten reden wollten, wurden durch junge Männer in Zivil, die jedoch einen militärischen Eindruck machten, mit Gesten und Blicken daran gehindert, nähere Auskünfte zu geben.

Gerüchte gingen damals um, im Juni 2001 hätte eine Spezialeinheit der Briten und Deutschen schon einmal versucht, in das Dorf zu gelangen. Es habe Schießereien gegeben, und einige Briten seien getötet worden. Aber diese Informationen konnten nicht erhärtet werden. Die deutschen SFOR-Truppen, die in Foca stationiert sind, leugneten die Aktion ab. Und auch Informationen, die deutsche Spezialeinheit KSK sei in der Gegend stationiert, wurden von den Sprechern der SFOR dementiert.

Doch der politische Druck auf die Militärs blieb bestehen. Karadžić müsse nach Den Haag, war nicht nur die Forderung der Bevölkerung in anderen Teilen Bosniens, sondern auch von Chefanklägerin Carla del Ponte, von Politikern aus den USA und vieler europäischer Regierungen. Allein die Nato-Militärs wiegelten ab. Das Gelände sei unübersichtlich, Karadžić habe viele Bodyguards, hieß es bei den jeweiligen Nachfragen. Doch in den letzten Wochen verdichteten sich Hinweise, dass eine Militäraktion im Raum Foca gegen Karadžić bevorstand.

Bei der Aktion Panzer und Helikopter eingesetzt, was darauf hindeutet, dass die Aktion von längerer Hand vorbereitet wurde. Ein Gebiet von rund 40 km Durchmesser soll durch die SFOR-Militärs umstellt worden sein. Und es ist unwahrscheinlich, dass die Militärs ohne die Gewissheit handelten, Karadžić fassen zu können. Gestern Nachmittag war die Aktion noch nicht abgeschlossen. Doch wie es aussieht, ist Karadžić seinen Häschern entschlüpft.