Konvent tanzt nicht

Verhaltener Beifall für Präsident Giscard d‘Estaing bei der Eröffnungsrede, in der er die Arbeitsphasen des EU-Konvents erläutert

BRÜSSEL taz ■ Nur einmal wurde Valérie Giscard d‘Estaing, der Präsident des Konvents zur EU-Reform, bei seiner Eröffnungsrede gestern von Beifall unterbrochen: Als er betonte, ein von breitem Konsens getragener Abschlusstext werde mehr Gewicht haben als mehrere konkurrierende Vorschläge. Der frühere französische Staatspräsident skizzierte die Phasen, in die er die Arbeit aufteilen möchte: Eine breite offene Diskussion zu Beginn, dann die Antwort auf die in Laeken formulierten Fragen, schließlich Empfehlungen und Vorschläge, „eine intellektuelle Neugründung der europäischen Institutionen“.

Zunächst hatten der amtierende Ratspräsident, der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar, Patrick Cox als Präsident des Europäischen Parlaments und Kommissionspräsident Romano Prodi gesprochen. Sie betonten, dass der Konvent eine Quadratur des Kreises leisten muss: Die Einheit Europas voranzubringen, ohne ihre Vielfalt zu beschädigen. Je nach Landessitte und Temperament formulierten die Redner diesen Anspruch unterschiedlich. Der Ire Pat Cox zitierte aus einem Gedicht seines Landsmanns Yeats: „Ich habe meine Träume unter deinen Füßen ausgebreitet. Tritt behutsam auf, denn du trittst auf meine Träume.“ Romano Prodi sagte: „Auf dem Spiel steht das Schicksal der Welt, der Unschuldigen, die den Preis zahlen für wahnwitzige Kriege.“ Und Aznar berief sich auf den spanischen Philosophen José Ortega y Gasset: „Wir Europäer müssen uns Spaltungen auf unserem Kontinent widersetzen.“

Aznar betonte auch, er teile nicht die verbreitete Meinung, Europa befinde sich in einer Existenzkrise. Die Weltlage zwinge aber zu noch mehr Einheit. Der Konvent müsse eng mit dem Rat der Staats- und Regierungschefs zusammenarbeiten, der das Ergebnis der Konventarbeit ja am Ende bestätigen müsse.

Das Präsidium hatte sich entschieden, alle Misstöne aus der Eröffnungsveranstaltung herauszuhalten. Deshalb wurde ein Entwurf der umstrittenen Geschäftsordnung an die Delegierten verteilt, damit sie bis zur nächsten Sitzung Ende März per E-Mail darüber diskutieren und Änderungswünsche formulieren können. DANIELA WEINGÄRTNER

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